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Tagelang im Park geschlafen

Asyl Der Flüchtlingsrat kritisiert in einem Offenen Brief an Müller fehlende Unterkünfte für Flüchtlinge

Mit einem dramatischen Appell hat sich der Flüchtlingsrat Berlin an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) gewandt. Berlin komme seiner gesetzlichen Aufgabe zur Unterbringung und Versorgung neu eintreffender Asylsuchender nicht mehr nach. Geflüchtete würden obdachlos gelassen und erhielten nicht einmal das Existenzminimum, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Schreiben an Müller.

Der Flüchtlingsrat nennt die Zustände katastrophal und eine Schande für die Stadt. Müller müsse das Thema zur Chefsache machen und umgehend dafür sorgen, dass Flüchtlinge menschenwürdig untergebracht würden.

Geschildert wird in dem Schreiben an den Regierungschef etwa der Fall einer allein reisenden Frau aus Afghanistan, die tagelang in einem Park schlafen musste. Sie hatte den Angaben zufolge von der Zentralen Asylaufnahmestelle einen Blanko-Gutschein für die Übernachtung in einem Hostel nach Wahl erhalten. Allerdings sei kein Hostel bereit oder imstande gewesen, die Frau aufzunehmen. Ähnlich sei es einer Syrerin mit ihren drei kleinen Kindern gegangen, die ihre Gutscheine nirgendwo hätten einlösen können und schließlich unter freiem Himmel schlafen mussten.

Von derzeit 1.800 laut Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Hostels untergebrachten Asylsuchenden hätten nur 600 tatsächlich einen Hostelplatz erhalten. Rund 1.200 Flüchtlinge hätten dagegen nur einen Gutschein ohne konkrete Adresse und ohne einen freien Platz bekommen. „Aufgrund unserer Erfahrungen gehen wir davon aus, dass die Mehrzahl der betroffenen Flüchtlinge im Ergebnis obdachlos bleibt“, heißt es in dem Schreiben des Flüchtlingsrats an Bürgermeister Müller. Weil sich inzwischen im Lageso Tausende nicht bezahlte Hostelrechnungen stapelten, fänden Flüchtlinge trotz „intensivster Hilfe von Unterstützern“ derzeit keine aufnahmebereiten Hostels mehr.

Zudem werde ausgerechnet den Flüchtlingen, die nicht mit Unterkünften versorgt werden können, nur die Hälfte des üblichen Kostensatzes gezahlt, so der Flüchtlingsrat. Das verstoße gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das auch Asylsuchenden existenzsichernde Unterstützung garantiert. (epd, taz)

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