piwik no script img

Milliardäre unter sich

Mexiko/USA Der entflohene Drogenboss Joaquín Guzmán und der Mogulund Präsidentschaftskandidat Donald Trump streiten auf Twitter

von Bernd Pickert

Nur ein paar Tage sind vergangen, seit Mexikos berüchtigtster Kartellchef Joaquín „El Chapo“ Guzmán spektakulär aus einem Hochsicherheitsgefängnis geflohen ist. Noch läuft die Großfahndung, aber schon gibt es die ersten Lieder, die dieser zweiten Flucht des Drogenbosses huldigen. Narcocorridos heißt das Genre, das im Stil der klassischen mexikanischen Corridos die Heldentaten der Drogenchefs besingt, und im jüngsten Werk heißt es: „Ihr wisst doch, dass ich wieder abhaue, warum sperrt ihr mich erst ein? Ich kann nicht drinnen sein, draußen gibt es zu viel zu tun. Meine Leute brauchen Arbeit, ich kann mir diesen Luxus nicht erlauben.“

Die Einzelheiten der Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis hatten für diese Mischung aus ungläubiger Bewunderung gesorgt, die solche Gaunerstücke oft mit sich bringen. Fast eineinhalb Kilometer lang war der Tunnel, er war mit Beleuchtung und Belüftung versehen. Berechnungen zufolge haben die Tunnelbauer knapp 400 Wagenladungen Erde abtransportiert, es gab einen unterirdischen Schlafraum für die Arbeiter, ein Schienensystem für ein umgebautes Motorrad zum Abraumtransport. Der Tunnel war 1,70 Meter hoch – der „Chapo“, der Kleine, konnte darin bequem aufrecht gehen.

So flieht der Chef einer Organisation, die für Tausende Morde verantwortlich zeichnet, ihren Einfluss von Mexiko aus längst auch in die USA und nach Europa ausgedehnt hat und dessen Privatvermögen auf über eine Milliarde Dollar geschätzt wird. Eine Demonstration von Kühnheit, Frechheit – und Macht.

Nördlich der Grenze war Guzmáns Flucht ein willkommenes Stichwort für den lautesten unter den republikanischen Präsidentschaftskandidaten. „Mexikos größter Drogenboss flieht aus dem Gefängnis. Unglaubliche Korruption und die USA bezahlen den Preis. Ich hab es euch gesagt!“, twitterte Donald Trump, der den Reichtum mit Guzmán gemein hat.

Trump war schon bei seiner Antrittsrede mit antimexikanischen Tiraden aufgefallen: Verbrecher seien das, Drogenhändler und Vergewaltiger, die da über die Grenze kämen. Er werde eine hohe Mauer bauen lassen, und Mexiko werde dafür zahlen. Dass er sich daraufhin in einem Sturm der Entrüstung wiederfand und etliche Firmen die Geschäftsbeziehungen zu ihm abbrachen, störte Trump wenig. Er machte genauso weiter – und kletterte in den Umfragen beständig nach oben.

Das ärgerte nicht nur die mexikanische Regierung und den republikanischen Parteivorstand, der die Wahlchancen der Republikaner sinken sieht, wenn Trump weiterhin so herumpöbelt. Auch der entflohene „El Chapo“ meldete sich per Twitter zu Wort. „Nerv so weiter und ich werde dafür sorgen, dass du an deinem Dreck erstickst, du mieses Stück Scheiße“ – so in etwa könnte man übersetzen, was Guzmán seinem US-amerikanischen Mitmilliardär zu sagen hatte. Trump lief mit diesen Drohungen direkt zum FBI – dort wird geprüft.

El Chapos Flucht ist ein Zeichen von Frechheit und Macht. Für Trump war sie ein willkommenes Stichwort für anti­mexikanische Hetze

Und an Mexikos Präsidenten twitterte Guzmán: „Und du hör auf, mich einen Verbrecher zu nennen. Ich gebe den Leuten Arbeit, anders als deine Regierung.“

Zwar weiß niemand, ob das Twitterkonto echt ist. Es ist aber auch egal: @ElChap0Guzman hat 386.000 Follower, und ob authentisch oder nicht: Der Drogenboss ist populär. Schon während Guzmáns Haftzeit hatte es in Sinaloa Demonstrationen für seine Freilassung gegeben. Wie alle Kartelle sichert auch Guzmán seine Macht durch Gewalt, Korruption – und eben auch Beschäftigung und soziale Investitionen.

Trump und Guzmán gleichen sich darin, dass beider Geschäftsmodell auf Skrupellosigkeit und Bauernschläue beruht. Beide lügen und verleumden und verschaffen sich Loyalitäten durch Geld. Und jetzt nutzen sie sich gegenseitig. Guzmán bestätigt mit seiner Flucht alles, was Trump über das korrupte Mexiko verbreitet. Und Trump verletzt auf eine Art den mexikanischen Nationalstolz, dass ihm viele den „Chapo“ an den Hals wünschen. Auf Twitter wurden etliche Fotos gepostet, auf denen man einen Donald Trump mit panischem Gesichtsausdruck sieht, Bildunterschrift: „Donald Trump, als er von der Flucht von El Chapo erfährt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen