LeserInnenbriefe
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Der Verzicht ist verständlich

betr.: „Riestern nützt nur Reichen“, taz vom 8. 7. 15

Solange die Riester-Rente – ebenso wie andere Formen der privaten Altersvorsorge – auf die spätere „Soziale Grundsicherung im Alter“ nach dem SGB XII vollständig angerechnet wird, ist der Verzicht von Niedrigeinkommensbeziehern auf die Riester-Rente nur allzu verständlich. Hinzu kommt, dass zum Erhalt der vollen staatlichen Riester-Zulagen heutzutage mindestens 4 Prozent des Bruttoeinkommens als Sparbeitrag einbezahlt werden müssen – was sich Niedrigverdiener im Regelfall nicht leisten können.

Heute arbeiten bereits fast 25 Prozent aller abhängig Beschäftigten im Niedriglohnsektor, Tendenz steigend. Weil Armutslöhne gemäß dem Äquivalenzprinzip unseres aktuellen gesetzlichen Rentensystems spätere Armutsrenten nach sich ziehen, wird Altersarmut sich von einer aktuellen Randerscheinung zu einem Massenphänomen unserer Gesellschaft entwickeln – solange unser gesetzliches Rentensystem nicht nach Schweizer Vorbild umgebaut wird, was längst überfällig ist.

ELGIN FISCHBACH, Leimen

Da kommt ein dickes Problem

betr.: „Gentech reloaded“, taz vom 10. 7. 15

Bei dem deklarations-, zulassungs- und deshalb auch abstandsflächenfrei pflanzbaren „nicht gentechnisch“, aber doch irgendwie dann wieder patentierbar veränderten Raps kommt noch ein ganz dickes Problem dazu: Wenn die dummen Bienen solche Rapspollen in konventionelle Flächen weitertragen, kreuzt sich nicht irgendeine mehr oder weniger zufällig mit alten oder auch Holzhammermethoden erzüchtete Mutation ein, sondern eine ganz genau definierte, wieder auffindbare Genänderung. Und dann werden wieder Anwälte herumlaufen und von Bauern benachbarter Felder Lizenzgebühren verlangen. Percy Schmeiser reloaded. Das bekannte Problem der Auskreuzung verschwindet nicht durch juristische Spitzfindigkeiten, was nun „gentechnisch verändert“ ist oder eben nicht. MATTHIAS MANSFELD, Haar

Respekt und Teilhabe

betr.: „Demut und Wehmut“, taz vom 13. 7. 15

Wer sich für ein Kind entscheidet, muss es annehmen, wie es ist. Wenn sich Eltern bewusst gegen die pränatale Menschenauslese entscheiden, könnten sie mit einem behinderten Kind vielleicht „erst recht“ einen Sinn von Leben erfahren. Gerade Menschen mit Downsyndrom können uns vorgeben, dass Lebensfreude nicht mit Erfolg und Materialismus zu tun haben muss.

Es ist tröstlich, dass mit der UN- Konvention auch in unserer Republik die Inklusion Gesetz geworden ist. Behinderte brauchen kein Mitleid, sondern Respekt und Teilhabe. Sie sind Menschen „wie du und ich“ und keine Ware, die man entsorgen darf!

URSULA EGGERKING, Emden

Vollständige Verschulung

betr.: „Auschwitz nicht mehr Pflicht“, taz vom 13. 7. 15

Die Streichung der Einführungsvorlesung zur NS-Pädagogik an der Uni Frankfurt ist ein weiterer bitterer Beleg dafür, wie die deutschen Universitäten gemeinsam mit den Kultusministerkonferenzen die vollständige Verschulung des Lehrer*innen-Berufs vorantreiben. Man hat offenbar vergessen, dass für Lehrer*innen neben den „Kompetenzen“ Unterrichten, Erziehen, Diagnostizieren und Schulentwicklung wohl auch so etwas die Reflexion des eigenen Berufs und die Entwicklung eines Bewusstseins für die Verantwortung des eigenen Berufsstandes gehört.

Die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus wird für angehende Lehrer*innen und Erziehungswissenschaftler*innen zu einer Luxusbeschäftigung in einem warenförmigen Studium, bei dem es nur noch um das Sammeln von Punkten geht – für einen Beruf, in dem es nur noch um die Ausbildung von möglichst effizienten Arbeitskräften geht. HANNES WEINBRENNER, Freiburg

Spekulativer Kunstmarkt

betr.: „Ist das Kultur, oder darf das weg?“, taz vom 14. 7. 15

Mit dem geplanten Kulturschutzgesetz werden Kunst- und Kulturgüter für Deutschland gerettet, die ansonsten von Spekulanten ins Ausland verbracht werden. Dies ist eindeutig zu begrüßen! Generell sollte auch der Kunsthandel, genauso wie es heute bei Immobilien und Wertpapieren der Fall ist, ebenso einer 10-jährigen Spekulationsfrist unterliegen. Die hier geltende einjährige Frist erlaubt es den Kunstspekulanten, erheblich Kasse zu machen, da diese es immer wieder verstehen, den Künstlern ihre Werke billig abzukaufen, um sie anschließend (nach etwas mehr als einem Jahr) auf Auktionen überteuert einem wenig fachkundigen Publikum zu verkaufen.

Interessant wird es noch, wenn das Kunstmuseum Bern das Erbe des Kunstsammlers Gurlitt antritt, denn dann ist das Finanzministerium gefordert, den Wert der Sammlung zu ermitteln, um die nicht unerhebliche Erbschafts- beziehungsweise Schenkungssteuer zu ermitteln. Es bleibt weiterhin spannend im spekulativen Kunstmarkt! KURT SCHEIBERT, Berlin