Ganz schön arm

SOZIALES Hat die Senatsverwaltung versäumt, die psychologische Betreuung obdachloser Frauen zu finanzieren? Oder haben die Abgeordneten geschlampt? Fakt ist: Das Geld fehlt

Dass das Projekt erfolgreich ist, darüber waren sich auch die Fachpolitiker einig

VON MARTIN RANK

Britta Köppen kümmert sich um Frauen, die durch alle Raster fallen. Die Psychologin versucht, schwer traumatisierte oder suchtkranke Frauen, die auf der Straße gelandet sind, wieder an einen geregelten Alltag heranzuführen. Nun musste sie erfahren, dass ihre Stelle auf der Kippe steht. „Ich war entsetzt“, sagt Köppen. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales wollte sich um die Finanzierung der Stelle kümmern. Doch nun fehlen 30.000 Euro – offenbar haben sich die Koalitionsfraktionen nicht richtig abgesprochen.

„Ich kann den Frauen nicht sagen, ob ich in der nächsten Woche noch für sie da sein werde“, beklagt Köppen die entstandene Unsicherheit. Sie betreut ihre Klientinnen in Rahmen des Projekts „FrauenbeDacht“ in einem Wohnheim in der Weddinger Bornemannstraße. 40 Frauen wohnen dort in Einzelzimmern, wenn nötig, auch für längere Zeit. Sie kommen aus allen Bezirken und werden durch die soziale Wohnhilfe zugewiesen. Um sie dauerhaft von der Straße zu holen, müsse man ihre schweren psychischen Probleme angehen, sagt Köppen. Sie bietet eine niedrigschwellige psychologische Beratung an. „Die Hemmschwelle, sich an eine Psychologin zu wenden, ist sehr groß.“

Das Projekt gilt als erfolgreich. Darüber waren sich auch die Fachpolitiker in einer Ausschusssitzung im September 2012 einig, ebenso wie darüber, dass eine Lösung für die Finanzierung gefunden werden muss. Doch offenbar konnten sich CDU und SPD nicht zu einem gemeinsamen Antrag durchringen, obwohl sie dem Träger von „FrauenbeDacht“, Gebewo, grünes Licht gaben. Köppen arbeitet seit drei Jahren dort. Bis jetzt wurde die Stelle über Stiftungen finanziert. Weil dies nicht weiter möglich war, fragte der Träger den Senat an. Geplant war, das Wohnheim zur Beratungsstelle für psychisch kranke Frauen zu erweitern. Doch das wurde erst mal auf Eis gelegt.

Warum scheiterte die Finanzierung, wo sich doch alle einig waren? Die Zuständigkeit liegt bei der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Hier verweist eine Sprecherin auf die Fraktionen: Die hätten keinen Antrag gestellt, darum habe es auch keinen Beschluss gegeben. „Der Antrag ist notwendig, wenn in ein laufendes Haushaltsjahr eingegriffen wird.“ Damit fehle die Handlungsgrundlage.

Ina Czyborra, frauenpolitische Sprecherin der SPD, sieht das anders: „Wir waren der Meinung, dass es auch ohne Antrag geht. Da gibt es Spielräume.“ Unabhängig davon habe man sich in der SPD geeinigt, erst einmal die Finanzierung der Stelle für 2013 zu beantragen. Die CDU habe jedoch auch die Finanzierung für 2014 und 2015 sichern wollen.

Kein gemeinsamer Antrag

„Den genauen Ablauf kann ich nicht mehr erklären“, sagt Katrin Vogel, frauenpolitische Sprecherin der CDU. „Aber wir waren uns alle einig.“ Auch die CDU habe einen fertigen Antrag gehabt. Vielleicht sei ein Problem gewesen, dass die frauenpolitischen Sprecher nicht im Ausschuss für Soziales sitzen. Am Ende fehlte jedenfalls der gemeinsame Antrag und damit das Geld für Köppens Stelle. Sie hat ihre Arbeit trotzdem aufgenommen.

„Wir sind überrascht, dass die Mittel jetzt nicht zur Verfügung stehen“, sagt Martin Beck, Sprecher für Soziales der Grünen. „Die Senatsverwaltung hat es versäumt, rechtzeitig Schritte zur Einrichtung einer psychologischen Beratungsstelle für obdachlose Frauen einzuleiten.“

Die Senatsverwaltung will jetzt nachbessern. Angeblich stehe der Finanzierung nichts mehr im Wege, sagt ihre Sprecherin. Die fehlenden 30.000 Euro sollen nun aus dem sogenannten Integrierten Gesundheitsprogramm kommen. Ob dieser Plan aufgeht, wird sich zeigen.