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Erwachen am Hundekehlesee

Tennis-Event Im Steffi-Graf-Stadion am Grunewald war jahrelang Weltklassetennis zu sehen. Beim Grand-Champions-Turnier treten am Wochenende Altstars und Nachwuchstalente an, um an gute alte Tennis-Zeiten in Berlin anzuknüpfen

Finale der German Open 2006 im Berliner Steffi-Graf-Stadion Foto: camera 4/imago

von Andreas Hartmann

Sportdirektor Markus Zoecke nimmt selbst den Pinsel in die Hand, um die Rostflecken im altehrwürdigen Steffi-Graf-Stadion des Tennisvereins LTTC -Rot-Weiß im Grunewald zu übermalen. Hoher Besuch hat sich angekündigt: Ehemalige Größen des Profitennis wie Michael Stich, Pat Cash, Jim Courier und Henri Leconte werden hier am Wochenende zu einem sogenannten Grand-Champions-Turnier erwartet – nicht zu einem dieser üblichen Legends-Turniere, sondern eingebunden in ein ungewöhnliches Konzept von Show-Tennis.

„Etwas Neues“ sei das, was man da vorhabe, so Zoecke. Die Stars von damals sollen mit dem Nachwuchs des Vereins in kleinen Mannschaften gegeneinander spielen. Ob dabei gutes Tennis herauskommt, wird sich weisen. Ein paar nette Selfies mit den gealterten Stars dürften auf jeden Fall bei dem Turnier rausspringen.

Zoecke, der selbst einmal Tennisprofi war und zur großen Zeit von Boris Becker mal im Davis-Cup-Team für Deutschland spielte, ist der Mann, der Tennis in seinem Traditionsverein – der Lawn-Tennis-Turnier Club Rot-Weiß Berlin, wie er in Gänze heißt, gründete sich 1897 – und damit in Berlin wieder groß machen soll. Dafür haben sie ihn hier beim LTTC samt seiner Tennis-Academy, die er nun im Grunewald leitet, extra aus München geholt, wo er zuletzt lebte.

Es soll aufwärts gehen

Das Grand-Champions-Turnier, das den Tennisinteressierten auch über Berlins Grenzen hinaus zeigen soll, dass der LTTC wieder für Attraktionen sorgt, ist da nur ein Zwischenschritt auf einem Weg, von dem noch nicht ganz klar ist, wohin genau er einmal führen soll. Auf jeden Fall: nach oben.

Einst spielten Steffi Graf und Boris Becker in den Mannschaften der ersten Bundesliga des LTTC, der früher einer der erfolgreichsten Tennisklubs Deutschlands war. In Serie hatte er Deutsche Meisterschaften gewonnen. Heute sind die Frauen des LTTC das Team, welches das hochklassigste Tennis im Verein spielt: Zweite Bundesliga.

Berlin bot mal Spitzentennis

Einmal im Jahr richtete der Klub früher die German Open aus – damals das wichtigste Tennisturnier der Frauen in Deutschland, das Steffi Graf in dem Stadion – das später nach ihr benannt werden sollte – ganze neun Mal gewann. Damals bevölkerten 7.000 Zuschauer den Center Court, um Weltklassetennis zu erleben. Blickt man heute von der Terrasse des Vereinsrestaurants aus auf das Stadion, in dem überall der alte Lack abblättert, den Zoecke übermalt, kann man sich kaum vorstellen, dass das wirklich genau hier gewesen sein soll. Man kommt sich vor wie in einem Freiluftmuseum. Und irgendwie ist es ja auch eins. Steffi Graf! German Open! Das klingt beinahe so retro wie „Falco“ oder „Aerobic“.

Steffi Graf hat sich längst nach Las Vegas verzogen, und Boris Becker will jetzt Engländer werden, aber hier, direkt am Hundekehlesee, steht immer noch dieses riesige Stadion als Relikt einer vergangenen Zeit, in dem sich bei irgendwelchen Ligaspielen ein paar Handvoll Zuschauer so ähnlich vorkommen müssen, als würden sie einen Pudding aus einem Großkantinenkochtopf löffeln.

Nach dem Ende der Ära Graf/Becker verkaufte der Verein die Lizenz für die German Open an die undurchsichtige Qatar Tennis Federation. Die aber hatte bald keine Lust mehr auf das Turnier, und am Ende standen die Berliner ohne Turnier da, dafür mit einer Millionen Euro Schulden und dem riesigen Stadion, für das man keine Verwendung mehr hatte. Man dachte über Abriss nach. Aber nicht einmal dafür langte die Vereinskasse.

Nun streicht man die Arena, die man kaum als solche bezeichnen mag, eben wieder schön. Man holt sie aus ihrem Dornröschenschlaf und will ihr wieder eine Bestimmung geben.

Eben erst haben hier die Internationalen Deutschen Jugendmeisterschaften im Tennis stattgefunden und irgendwann, ja irgendwann soll in der alten Schüssel auch erneut Profitennis auf Toplevel angeboten werden.

Weltklasse ist zu teuer

Steffi Graf! German Open! Das klingt beinahe so retro wie „Falco“ oder „Aerobic“

Gemeinsam mit Michael Stich hat man bereits versucht, wieder ein Frauenturnier von Weltklasseformat nach Berlin zu holen. Dieser Plan ist vorerst vom Tisch – die Millionen, die das kostet, und die Sponsoren, die man dafür braucht, hat man nicht. Aufgehört zu träumen haben sie beim LTTC aber trotzdem noch nicht. Die Sehnsucht nach den alten Zeiten flammte zum letzten Mal auf, als die Berlinerin Sabine Lisicki vor zwei Jahren das Finale in Wimbledon erreichte. Erstmals nach Steffi Graf stand wieder eine Deutsche im Finale von Wimbledon.

Beim LTTC verabredeten sie sich aufgeregt und voller Hoffnung zum Public Viewing, auch weil Lisicki hier einmal in der Damenmannschaft spielte und immer noch Mitglied des Klubs ist. Die Berlinerin unterlag. Dennoch: Ein neuer Tennisboom in Berlin, in Deutschland, ist vielleicht nur einen Matchball entfernt.

„Auch andere Länder tun sich schwer damit, Tennisspieler ganz nach oben zu bringen“, sagt Markus Zoecke. Als ganz große Zukunftshoffnung gilt derzeit der 14-jährige Rudi Mollecker. Er ist das größte Talent des Vereins, Jugendeuropameister und holte mit dem deutschen Team in seiner Altersklasse im vergangenen Jahr den Weltmeistertitel.

Zoecke meint, es müsse schon sehr viel schiefgehen, damit sein Schützling einmal nicht da oben im Tenniszirkus mitmischen werde. Er steht für die Zukunft, an deren Gestaltung der LTTC jetzt wieder arbeitet. Und, wer weiß: „Rudi-Mollecker-Stadion“ klingt doch gar nicht mal so schlecht.

Programm: allianzkundlergrandchampions.com

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