piwik no script img

Es darf diskutiert werden

Fahrscheinloser ÖPNV

Die Piraten-Studie lässt viel Spielraum für weitere Mutmaßungen.

Es war eines der ganz großen Themen, mit dem die Piraten vor vier Jahren antraten: der fahrscheinlose öffentliche Nahverkehr, die Utopie von Bahn, Bus und Tram für wirklich alle, ohne Tariflabyrinth und ohne Jagd auf Schwarzfahrer. Der Verzicht aufs Ticket sollte das Recht auf Mobilität durchsetzen und die Vormacht des Autos brechen.

So simpel diese Vision ist – man muss ganz schön viele Weichen stellen, um erst einmal in ihre Nähe zu gelangen. Das zeigt auch die von den Piraten am Freitag vorgelegte Machbarkeitsstudie. Weil die ganzen Fahrten ja trotzdem bezahlt werden müssen, liegt ein Umlagemodell auf der Hand. Aber das muss rechtlich abgesichert und vor allem politisch durchsetzbar sein. „Mobilitätsdiktatur“, hört man die Motorisierten und ihre Lobby jetzt schon raunen.

Als Nächstes bekäme man es mit dem Einwurf zu tun, dass ein fahrscheinloser ÖPNV mehr Menschen anzieht. Die Studie hält diese Attraktivität für beherrschbar. Schließlich würden externe Faktoren an dem schönen Modell zerren: die Einbindung in den regionalen Verkehrsverbund und die Abhängigkeit von Bundessubventionen wie den Regionalisierungsmitteln, deren Höhe ab 2019 unklar ist.

Auch die Piraten-Studie löst diese Unwägbarkeiten nicht auf, sie lässt viel Spielraum für Mutmaßungen. Trotzdem ist es gut, dass es sie gibt: Bislang gab es einfach kein ernst zu nehmendes Dokument, das die Spielräume für einen Berliner ÖPNV ohne Tickets so ausführlich skizziert hätte. Auf dieser Grundlage lässt sich gut weiterdiskutieren.

Außerdem haben die Piraten recht, wenn sie unbescheiden behaupten, sie hätten das Thema salonfähig gemacht. Genauso ist es nämlich: Vor vier Jahren wurde die Vorstellung nur belächelt, dass der Schlachtruf „Die Fahrausweise zur Kontrolle bitte!“ einmal aussterben könnte. Jetzt stellen auch andere Parteien immer lauter die Frage „Warum denn nicht?“ Irgendwann kommt dieser Zug vielleicht wirklich ins Rollen. Claudius Prößer

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen