"Das ist nicht Kinderschutz, sondern Kriminalisierung"

Verbot II Bettelnde Kinder bräuchten Schutzund Hilfe, fordert Vesna Lovric von IniRomnja

Vesna Lovriv

von IniRomnja, Berliner Roma-und-Sinti-Frauen, die sich gegen Rassismus gegen Sinte_zza und Rom_nja einsetzen.

taz: Frau Lovric, der Senat will künftig das Betteln von und mit Kindern verbieten und damit die Kinder besser schützen. Ist das dafür eine gute Maßnahme?

Vesna Lovric:Nein, das ist keine gute Maßnahme.

Warum nicht?

Das ist kein Kinderschutz, sondern Kriminalisierung von Eltern und Kindern, die bereits im gesellschaftlichen Abseits stehen. Sie leben mit ihren Familien auf der Straße, weil sie keine anderen Perspektiven haben. Auf das Elend dieser Kinder mit Disziplinarmaßnahmen anstatt mit Unterstützung zu reagieren, ist politisch und menschlich falsch.

Ist es nicht tatsächlich Missbrauch, Kinder beim Betteln einzusetzen?

Wenn Deutschland diese und andere Gewalt, die Kinder erleben, verhindern möchte, müssen hier zunächst die Kinderrechtskonvention eingehalten und die Kinderrechte geachtet werden. Deutschland hat die Konvention unterzeichnet und ist verpflichtet, sie einzuhalten. Der Staat hat damit für das Wohlergehen aller Kinder Sorge zu tragen.

Man sieht Frauen mit Kindern auf der Straße betteln, wer sind sie?

Es sind arme Frauen, die nichts als diese Arbeit auf der Straße haben, um so für ihre Familie Sorge zu tragen. Werden sie künftig kriminalisiert, haben sie noch weniger Chancen zum Überleben.

Was wäre denn eine kluge Maßnahme, um den Frauen und Kindern das zu ersparen?

Allen Kindern Schul- und Kitabesuch zu ermöglichen, Teilhabe an Gesundheitsversorgung, ihnen das Recht auf Wohnraum, persönliche Entfaltung, gewaltfreies Leben zu garantieren. Das Leben auf der Straße ist oft auch mit Gewalt verbunden. Kinderschutz würde bedeuten, die Kinder und ihre Familien davor zu schützen und zu unterstützen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der schulischer und beruflicher Erfolg erheblich von sozialer Herkunft abhängen. Wir müssen alles dafür tun, Kindern gleichberechtigte Chancen und ein diskriminierungsfreies Leben zu ermöglichen.

Interview: Alke Wierth