: Die Bilder sprechen von einer Niederlage
FOTOGRAFIE In einer Doppelausstellung zeigt die Galerie c/o Berlin Schwarzweißfotos des britischen Kriegsfotografen Don McCullin und eine 360-Grad-Bild-Ton-Rauminstallation des Norwegers Jonas Bendiksen
VON DETLEF KUHLBRODT
Am Freitagabend wurde im Postfuhramt eine Doppelausstellung der Galerie c/o Berlin eröffnet. Neben einer „The Impossible Peace“ betitelten Retrospektive des britischen Fotografen Don McCullin stehen fotografische Rauminstallationen des norwegischen Dokumentaristen Jonas Bendiksen.
Der 74-jährige McCullin war als Kriegsfotograf berühmt geworden und bereiste über Jahrzehnte Kriegs- und Krisengebiete; so hatte er unter anderem vom Bau der Berliner Mauer, aus Nordirland, Kambodscha und Beirut berichtet. Nach seiner Zeit als Kriegsberichterstatter, die auch deshalb endete, weil die Sunday Times, für die er bis 1983 berichtet hatte, sich dafür entschied, ihre Leser nicht mehr mit Elendsbildern zu verunsichern, begann er Landschaften und die Spuren des Römischen Reichs zu fotografieren.
Der 32-jährige Norweger Jonas Bendiksen realisierte zwischen 2005 und 2007 das Projekt „The Places We Live“, für das er Menschen in den Slums von Nairobi, Carracas und Mumbai in ihren Behausungen fotografiert und ihre Geschichten mit einem Tonbandgerät aufgezeichnet hatte. Die Schwarzweißbilder von McCullin hängen traditionell an der Wand; die von Jonas Bendiksen sind als 3-D-Installationen zu sehen: Familien sitzen oder stehen jeweils vor ihren vier Wänden. Alle Porträts werden in der Ausstellung so an die Wände eines Raums projiziert, dass eine 360- Grad-Ansicht der Behausungen im Originalgrundriss entsteht. Dazu hört man die Bewohner aus ihrem Leben erzählen.
Zunächst scheint es einleuchtend, die Werke von McCullin und Bendiksen nebeneinander auszustellen; beide beschäftigen sich mit dem Elend der Welt. Während McCullin aber den Horror des Kriegs abbildet, geht es Bendiksen um Alltag unter erschwerten Bedingungen. Als sich der ethischen Problematik seiner Arbeit immer bewusster Fotograf, versuchte McCullin die Betrachter seiner Bilder wachzurütteln; ihnen das zu zeigen, was sie nicht sehen wollen, das abzubilden, was nicht sein darf. Seine Bilder protestieren gegen das, was sie abbilden.
Bendiksen dagegen versucht das Gemeinsame zu zeigen; wie die Menschen sich auch in Slums bemühen, das Wenige, was sie haben, liebevoll zu arrangieren; wie sie lachen, sich nach etwas sehnen. Auch wenn seine Fotografien nicht sozialromantisch sind, teilt sich Wärme und Sympathie mit.
Es war seltsam bei der Eröffnung, neben anderen Aussstellungsbesuchern, die mit Brezel und Bier herumstanden, sich die Bilder von McCullin anzuschauen. Bilder, die man sich scheut „großartig“ zu nennen, zeigen ja nicht nur Gewalt, Tod und Elend, sie sprechen von einer Niederlage: die Intention, mit der sie gemacht wurden, hatte sich nicht erfüllt, die Welt ist nicht friedlicher geworden. Und der Hinweis an den Wänden, es sei verboten „die Kunstwerke“ zu berühren, kommt einem fast obszön vor.
Wenn man ihn „Künstler“ nenne, fühle er sich beleidigt, sagte McCullin beim artist-talk. Er fühlte sich der Dokumentation verpflichtet und hätte immer versucht, der Gefahr, eine Art Goya zu machen, zu widerstehen. „I’m a photographer! My pictures are not meant to be in a museum.“ Es sei eine deprimierende Niederlage, wenn man nach Afrika geht, um Bilder über Aids zu machen und diese dann in einer schicken Galerie landen.
Es sei einfach gewesen, den Krieg zu fotografieren, aber sehr schwierig, danach wieder in den Alltag zurückzukehren. Düster wirkte McCullin dabei nicht, sondern durchaus auch humorvoll, wenn er etwa sagte, er hätte noch nie in seinem Leben einen Computer angefasst. Er hätte ein großartiges Leben gehabt, dass er mit dem Leid anderer finanziert hätte und müsse mit der Last leben, diese Bilder gemacht zu haben. Gewalt ist aber in allem drin.
Als er die Kriegsfotografie hinter sich ließ und damit begann, Landschaften und Überreste römischer Siedlungen in Großbritannien zu fotografieren, meinte er die Schreie derer zu hören, die etwa beim Bau dieser Siedlungen, vor 2.000 Jahren als Sklaven oder Krieger gepeinigt wurden. „Die Geister der Gewalt wohnen noch in diesen Landschaften.“ Etwas von dieser Düsternis meint man beim Betrachten auch der Kriegsbilder zu spüren.
■ Don McCullin, „The Impossible Peace. A Retrospective 1958–2008“; Jonas Bendiksen, „The Places we live“, bis 28. 2. c/o Berlin