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Archiv-Artikel

Sleazy Stimmen und Detailversessenheit

METADISCO Im Comet-Club schöpft die kalifornische Band Toro Y Moi ihre Möglichkeiten nicht aus. Die Herren um Chaz Bundick tappen in die Virtuositätsfalle

Die Musik könnte sich mal gehen lassen, nicht immer nur um die eigene Virtuosität kreisen

Eigentlich eine sehr gute Idee: Diskomusik im Bandformat zu spielen. Schlagzeug, Bass, Gitarre, Tasteninstrumente. Aber was Metronomy oder Hot Chip können, klappt bei Toro Y Moi, die am Freitagabend im Comet-Club gastieren, nur in Ansätzen: Clubmusik in eine Liveatmosphäre zu transferieren.

An den Musikern mit den schlecht frisierten Haaren und den anderen üblichen Anzeichen für übertriebenes Hipstertum (Siebzigerjahre-Walross-Bart, verwaschene T-Shirts, Funkriffs mit Rickenbecker-Gitarre spielen) liegt es nicht.

Es liegt auch nicht an Mastermind Chaz Bundick, obwohl er auf der Bühne nicht viel anderes macht als vor sich hin zu wippen und immer mal wieder die große Nerdbrille hochzuschieben. Aber er hat ja auch zu tun: ein Keyboard vorn, ein Keyboard rechts, und dann noch die zahlreichen Effektregler – Chaz Bundick ist Toro Y Moi, und er ist natürlich ein Vieleskönner, denn die Stimme hat er ja auch: die exakt zum Sound passende, sleazy Stimme.

Wir nähern uns dem Problem. Das Problem ist, dass die Band an diesem Freitagabend im Comet zu viel will. Sie will nicht nur den Groove, den Funk, den Soul. Sie will nicht nur mehr Tempo, mehr Schwung. Sie will die Über-, die Metadisco schaffen. Natürlich ist das Konzert im ausverkauften Comet in der Falckensteinstraße trotzdem gut. Obwohl es ausverkauft ist, herrscht einigermaßen Platz – vielleicht ist es vielen doch zu kalt gewesen da draußen. Sie haben sich gar nicht erst auf die Straße hinausgewagt.

Einige hält es auch im Club selbst nicht lange am Platz. Es herrscht Bewegung, zumindest zwischen den Türen. Taschentelefone mit Fotofunktion werden in die Luft gereckt. Oder man wippt mit. Metadisco: Bei Toro Y Moi ist jedes Stück zu voll. Pickepackevoll. Was als Riviera-Cruise-Track beginnt, beschleunigt plötzlich, was an Blondie erinnern könnte, nimmt plötzlich eine Wendung ins Vertrackte. Immer wieder gibt es einen weiterführenden Dreh in der Komposition (eins der Stücke von der neuen, dritten Platte „Anything in Return“ heißt denn auch „So Many Details“).

Es ist durchdachte Diskomusik mit komplizierten Figuren – bei konsequenter Vermeidung eines echten Hits. Was schade ist. Denn Bundick könnte, denkt man, auch mal die Finger von den Tasten und den verwaschenen Soundflächen lassen und sich selbst gehen lassen. Überhaupt, die Musik könnte sich mal gehen lassen, nicht immer um die eigene Virtuosität und die Finessen des Sounds (und hier und da der Texte) kreisen.

Dass besonders die Virtuosität da ist, weiß man, merkt man auch so. Aber gut. Chillwave ist Vergangenheit, das Schlafzimmerstudio längst mit einem komfortablen Proberaum getauscht. Popappeal ist durchaus vorhanden, und Bundick ja auch erst 26 Jahre alt. Aus dem kühleren und provinzielleren South Carolina ist er mittlerweile ins sonnige Kalifornien gezogen. „Anything in Return“, das just an diesem Freitag rauskam, bedeutet für Bundick einen weiteren Schritt in Richtung Sonne, Tempo und Ruhm. In der Reihenfolge. Und beim nächsten Mal könnte er es tatsächlich schaffen, einen größeren Club zu bespielen – und sogar auch zum Kochen zu bringen. RENÉ HAMANN