Bessere Ausbildung für ErzieherInnen: Vier Jobs in einem

Die ErzieherInnenarbeit ist anspruchsvoller geworden – auch weil viele sehr kleine Kinder in Kitas sind. Experten fordern umfangreichere Ausbildung.

Die Betreuung der 3,3 Millionen Kinder in den Kitas ist viel mehr als nur Windeln wechseln: Babys in Ilmenau (Archivbild). Bild: dpa

BERLIN taz | Kinder sollen nicht nur mit Matsch und Sand spielen, sondern dabei auch „sprachlich begleitet“ werden. Kinder sollen nicht nur malen, sondern auch veranlasst werden, „zu ihren eigenen Bildern zu sprechen“. Kinder sollen sich nicht nur über Geschenke freuen, sondern auch lernen, zwischen dem „Gebrauchswert“ und dem „Gefühlswert“ von Dingen zu unterscheiden.

Wer den fast 50 Seiten starken „Orientierungsplan“ für Kitas in Baden-Württemberg studiert, bekommt den Eindruck, ErzieherInnen müssten KinderpflegerInnen, LogopädInnen, SozialarbeiterInnen und PsychologInnen gleichermaßen sein. „Wir stehen vor einer historischen Wende“, sagt Anke König, Projektleiterin für die Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte am Deutschen Jugendinstitut in München, „noch nie waren so viele Kinder in Tagesbetreuung untergebracht, vor allem nicht so viele junge Kinder, und noch nie waren die Erwartungen der Eltern an diese Einrichtuhngen so hoch.“

Nicht nur der aktuelle Streik lenkt den Blick darauf, dass die Betreuung der 3,3 Millionen Kinder in den Kitas heute viel mehr sein soll als nur Windeln wechseln, aufpassen auf dem Spielplatz, Essen reichen und vorsingen. 17 Prozent der betreuten Kinder in den Kitas sind heute jünger als drei Jahre. Doch wer glaubt, die Arbeit mit den Allerkleinsten erfordere erst recht keine intellektuellen Qualitäten, der irrt. „Das ist eine sehr wichtige Lebensphase.

So viel wie in den ersten drei Lebensjahren lernen die Kinder später nicht mehr, und nie wieder sind sie so verletzlich“, sagt Iris Nentwig-Gesemann, Professorin für Bildung im Kindesalter an der Alice Salomon Hochschule in Berlin. Bei den Kleinsten sei es besonders wichtig, eine „professionelle und reflektierte Bindungsbeziehung“ aufzubauen, ohne die Ersatzmama spielen zu wollen. Fachkräfte in den Kitas müssten das Verhalten der Kleinstkinder sehr aufmerksam beobachten und einschätzen können, um deren motorische, kognitive, sprachliche und sozial-emotionale Entwicklung individuell und passgenau begleiten und fördern zu können, so Nentwig-Gesemann.

B. A. Kindheitspädagogin

Daher fordern ExpertInnen und die Gewerkschaft Verdi eine umfangreichere Ausbildung für die BetreuerInnen. Bisher ist die Ausbildung zur staatlich anerkannten ErzieherIn eine Ausbildung an einer Fachschule, doch es gibt inzwischen auch immer mehr Studiengänge an Hochschulen mit einem höheren wissenschaftlichen Anteil und starkem Praxisbezug, wo man einen Bachelorabschluss etwa als „Kindheitspädagogin“ erwerben kann. Die AkademikerInnen machen derzeit nur 5 Prozent der rund 600.000 pädagogischen Fachkräfte in den Kitas aus.

„Jede Kita sollte neben den ErzieherInnen mindestens eine Kindheitspädagogin beziehungsweise einen Kindheitspädagogen beschäftigen“, sagt Nentwig-Gesemann, „und damit von multiprofessionellen Teams profitieren.“ Verdi will allerdings, dass vielen ErzieherInnen der Weg in eine akademische Aus- und Weiterbildung eröffnet wird, sodass in den Kitas dann nicht eine Minderheit, sondern die Mehrheit einen Hochschulabschluss besäße – und damit erst recht besser bezahlt werden müsste. Damit soll sich Deutschland auch an die Nachbarländer wie etwa Frankreich oder England angleichen, wo der Beruf nur an Hochschulen gelehrt wird.

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