Kolumne: Der Himmel über Herne

Warum Solar-Architektur das Gegenteil von Umsteigen in Duisburg ist - und Herne mit seinem Solarzelt sowieso.

NRW ist ein tolles Land, aber das Umsteigen ist eine Katastrophe. Hier eine Eilmeldung für Bahnfahrer! Wer in Herzogenrath (bei Aachen) zufällig die Züge wechseln muss, sollte keinen schweren Koffer dabei haben. Da steht zwischen Gleis 1 und Gleis 3 eine Behelfsbrücke, und die ist gefühlte 100 Meter hoch und sehr steil! Mein Koffer war am Montag zentnerschwer. Auch Duisburg Hbf sollte man mit schweren Koffern meiden, wenn man von Gleis 8 nach Gleis 1 muss.

Ich bin jung und fit, aber wie sollen ältere Menschen wie Minister Gabriel und Tiefensee mit dem ÖPNV zurechtkommen? Verständlich, dass die nach Dienstlimousinen rufen. Sogar ich saß am Ende verschwitzt und erschöpft in der S-Bahn nach Herne. Das war wiederum gut, überkam mich doch die Lust auf ein größeres legislatives Vorhaben. Im Zug formulierte ich das "Bundesumsteigerolltreppenliftgesetz" (UmschLig) als kleine Dienstleistung für Bundestag und Ministerien.

Kurz zusammengefasst verbietet dieses Gesetz das Umsteigen ohne technische Hilfe mit rückblickender Wirkung. Demnach wären Herzogenrath und Duisburg illegal. Ich bitte die Legislative, sich bei Interesse am Entwurf formlos an Ökosex zu wenden. Jetzt zu Herne. In Herne ging die Sonne auf. Herne ist ein Traum, ein solarer Traum.

In Herne, was viele nicht wissen, steht eine riesige gläserne Halle mit 10.000 qm Photovoltaikmodulen, getragen von einer fantastischen Holzkonstruktion. Unter diesem Sonnenzelt stehen schicke weiße Gebäude, darin Tagungsräume, ein Hotel, ein Bürgerzentrum. Sozusagen In-door-Häuser, auf die niemals ein Tropfen regnet. Ökosex vom Feinsten.

Es war wie Weihnachten: Ich durfte in einem Hotelzimmer schlafen unter diesem gläsernen Zelt mit dieser gewaltigen Solaranlage, die es auf ein Megawatt Leistung bringt. Ich schlief gerne in Herne. Wer ein bisschen neidisch werden möchte, kann mal auf den Seiten der Akademie Mont Cenis vorbeischauen. Am nächsten Morgen arbeitete ich auch gerne in Herne. Frohgemut bediente ich einen surrenden Beamer, natürlich mit Strom vom Dach oder aus Kraft-Wärme-Kopplung.

Links ging der Blick auf das Gelände der alten Zeche, wo Grubengas in Wärme und Strom umgewandelt wird. In den alten Schächten der Kohlegruben tummelt sich noch viel Methan. Das entfleucht entweder sinnlos in klimaschädlicher Weise oder kann noch prima fossile Energien ersetzen.

Solare Gebäude sind der Zucker im Espresso der solaren Effizienzrevolution. Bei mir jedenfalls setzt das sinnliche Erleben anscheinend irgendwelche Botenstoffe frei, die glücklich machen. Ökosex deshalb heute als Hommage an die Solararchitektur und ein aufrüttelndes Plädoyer an Politik und Gesellschaft, die Gebäudefrage zu stellen. Immer gehts um doofe Autos und Kraftwerke, wenn von Klimaschutz die Rede ist. Immer gehts in der öffentlichen Debatte in erster Linie um Strom und dann noch ein bisschen um Energiesparen und Isolierung.

Selten geht es grundsätzlich um Architektur. Wie jeder weiß, ist es vor allem der Wärmebedarf von Häusern ein Riesenbrocken unserer Treibhausemissionen. Wo bleibt die Architektur-Revolution, die nicht beschränkt bleibt auf Vorzeigeprojekte? Unbemerkt von der Öffentlichkeit, hat sich nämlich in diesem Bereich technisch etwas getan, was eigentlich unglaublich ist: das Haus, das selbst in Deutschland mehr Energie produziert als verbraucht, ist technische Realität. Das ist merkwürdigerweise technischer Fortschritt, der kaum gesellschaftlich als revolutionär erkannt wird.

Noch wird von der wunderbaren Welt der Kernfusion geträumt, der CO2-freien Kohle, der Wasserstoffwirtschaft, der Solarproduktion in Afrika. Wenn wir unsere Behausungen revolutionieren, dann brauchen wir das wahrscheinlich alles nicht. Häuser zu Saftzwergen! Ökosex ist ein großer Bewunderer von Wolfgang Feist, Rolf Disch, Timo Leukefeld und Georg Dasch. Es lohnt sich, mal zu googeln, was die so machen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.