Radsport: "Mein Mandant ist kein Verräter"

Rechtsanwalt Michael Lehner über den Kronzeugen Jaksche und dessen umfangreiche Dopingbeichte

taz: Herr Lehner, Ihr Mandant Jörg Jaksche hat im Spiegel so umfassend über Doping im Radsport berichtet wie noch kein anderer deutscher Radprofi. Er stellt sich nun als Kronzeuge zur Verfügung. Was bedeutet das?

Michael Lehner: Es gibt diese Regelung im Sportrecht, und Jörg Jaksche möchte sie für sich in Anspruch nehmen. In einem Magazinbericht geht ja vieles unter. Es wird nicht alles gedruckt. Jörg Jaksche kann noch viel mehr Details, mehr Wissen preisgeben. Ich hoffe allerdings, dass er die Kronzeugenregelung wirklich nutzen kann, und ich hoffe auch, dass sich andere Radsportler dem Beispiel von Jaksche anschließen. Die Sache müsste jetzt mit dem österreichischen Radsportverband, wo er auch lizensiert ist, geklärt werden.

Steht die Kronzeugenregelung im Sportrecht schon schwarz auf weiß in den Statuten?

Ja, sie steht im Wada-Code drin, Artikel 11.

Wurde sie bereits angewendet?

Meines Wissens nein. Es gab einfach noch keinen vernünftigen Kronzeugen. Jörg Jaksche wäre der Erste.

Wo tritt Jaksche als Kronzeuge auf, beim österreichischen Verband oder bei der Welt-Anti-Doping-Agentur, Wada?

Die Wada-Satzung wird eigentlich von den nationalen Verbänden umgesetzt.

Er müsste sich also mit österreichischen Radsportfunktionären zusammensetzen, die ein begrenztes Interesse an Aufklärung haben?

Ja gut, die Wada hätte immer noch ein Einspruchsrecht gegen die Entscheidungen des nationalen Verbandes. Wir müssen abwarten, was passiert.

Die Veröffentlichung der Jaksche-Beichte im Spiegel könnte nun den Anstoß für umfassende Ermittlungen in der Radsportszene geben.

Jörg Jaksche betont, dass er den Fahrern keine reinwürgen will. Er ist kein Sportkameraden-Verräter. Ihm geht es um die Dopingstrukturen und die Hintermänner im Radsport. Er wollte und er will zeigen, was in der Szene wirklich abgeht.

Er wird also gegenüber der Wada oder dem nationalen Verband keine Namen von Radsportlern nennen?

Ich will es mal so sagen: Wenn es sich ergibt und für die Offenlegung der Strukturen notwendig ist, wird schon der eine oder andere Name genannt werden. Aber es geht nicht darum, die Profis zu denunzieren und die wirklichen Verantwortlichen, etwa die sportlichen Leiter, davonkommen zu lassen. Die Wada sollte nicht Interesse daran haben, wer noch alles von den Radsportlern gedopt gewesen ist, sondern an den Strippenziehern im Hintergrund.

Jörg Jaksche erhofft sich durch seinen Auftritt als Kronzeuge eine Verkürzung der zweijährigen Dopingsperre auf ein Jahr. Wie realistisch ist das?

Wenn die Verbände die Regelung ernst nehmen, ist eine Verkürzung verbindlich. Sollte er nicht als Kronzeuge zugelassen werden, dann kann man den Passus ersatzlos streichen. Denn dann würde sich kein einziger Radprofi mehr auch nur ansatzweise zum Thema Doping äußern.

Was bedeuten die Enthüllungen für die Tour de France, die an diesem Samstag in London beginnt?

Möglicherweise ist die Teilnahme für das Astana-Team jetzt gefährdet. Und wer weiß, ob Alejandro Valverde (offensichtlich ein Kunde des spanischen Arztes Eufemianio Fuentes und mutmaßlicher Blutdoper; d. Red.) mitfahren darf bei der großen Schleife. Das wird noch sehr, sehr spannend.

INTERVIEW: MARKUS VÖLKER

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.