Aufbau-Verlag: Krise as usual

Will Aufbau-Verleger Bernd Lunkewitz verkaufen? Verlagslektor Gunnar Cynybulk sieht keine akute Krise und rät: Bloß nicht hysterisch werden.

Chef des Berliner Aufbauverlages: Bernd Lunkewitz Bild: dpa

Der Verlagsname ist natürlich eine Steilvorlage: "Aufbau baut ab" titelte der Spiegel diese Woche. Was man in der zugehörigen Kurzmeldung lesen konnte, mutete wie der Abgesang auf den traditionellen Berliner Verlag an: Von einem desaströsen Geschäftsjahr 2006 war die Rede, von Verleger Lunkewitz, der hinschmeißen wolle, von Verhandlungen mit Random House und von bereits ausgesprochenen Kündigungen.

Klar, dass dieser Brandsatz seine Wirkung nicht verfehlte. Ist der Aufbau Verlag noch zu retten, ist die Frage, die nun durch die Feuilletons geht. Verglichen mit diesem mittelschweren Rauschen sind die Betroffenen selbst auffallend unaufgeregt. Spricht man mit Aufbau-Lektor Gunnar Cynybulk, wird klar, woran das liegt: Schwierig war die Lage, seit Cynybulk vor neun Jahren zu Aufbau kam, eigentlich immer. Und zwar genauso schwierig wie in der Branche insgesamt.

Dass der Druck auf das einzelne Buch enorm gestiegen ist in den vergangenen Jahren, haben alle Verlage zu spüren bekommen. Genauso wie sie sich damit auseinandersetzen mussten, dass es für kleine und mittelgroße Verlage immer problematischer geworden ist, ihre Titel bei großen Handelsketten wie Thalia oder Hugendubel zu platzieren. "Verlage unserer Größenordnung sind immer in einer unsicheren Position", sagt Cynybulk. "Ein schlechtes Jahr zu viel kann man sich im Grunde nicht leisten." Die Kunst besteht darin, mit dieser Dauerkrise umzugehen.

Aufbau ist wegen der verlagseigenen Taschenbuch-Sparte besonders anfällig. Das Taschenbuch funktioniert wie ein Multiplikator, im Positiven wie im Negativen. Ist ein Buch als Hardcover erfolgreich, kann man mit dem Taschenbuch noch mal davon profitieren. Umgekehrt gilt aber auch: Wenn ein Hardcover-Programm sich nicht gut verkauft, bekommt man das gleich doppelt zu spüren.

Dieses Problem ist in den letzten zwei Jahren akut geworden. Das sei doch aber kein Geheimnis gewesen, wundert sich Cynybulk über die momentane Diskussion. Deshalb habe auch niemanden im Haus die Spiegel-Meldung wirklich erschüttern können. "Wir sind Akteur auf einem Markt", sagt Cynybulk. "Wenn sich auf diesem Markt die Bedingungen verschärfen, muss man sehen, wie man sich damit arrangieren kann."

In der Vergangenheit hat sich in dieser Hinsicht schon einiges getan. Der Imprint-Verlag Gustav Kiepenheuer hat sich mehr auf das Unterhaltungsgenre verlegt. Das Programm ist insgesamt verschlankt worden. "Vielleicht haben wir den Fehler gemacht, zu viel Platz in den Regalen einnehmen zu wollen", gesteht Cynybulk ein.

Weniger Titel und gleichzeitig den Rücken breitmachen. So könnte man die Devise beschreiben, die Cynybulk mit Blick auf die aktuelle Lage ausgibt. In der momentanen Konstellation weiterzuarbeiten, würde die Strukturprobleme längerfristig nicht beheben. Positiv könnte sich deshalb eine Kooperation mit einer anderen Verlagsgruppe auswirken. Ganz einfach deshalb, weil man mit einem größeren Werbevolumen auftreten und seine Verhandlungsposition gegenüber dem Barsortiment und den wenigen Handelsketten, die den Markt bestimmen, stärken würde.

Natürlich sei diese Pragmatik - Cynybulk spielt auf die Kündigungen von Mitarbeitern an - nicht immer angenehm. Und natürlich wäre ihm als Lektor am liebsten, wenn man noch mehr über das Programm erreichen könnte. "Nehmen Sie Fred Vargas oder Bräunig", sagt Cynybulk. Mit solchen erfolgreichen Titeln kann man einen Verlag schon mal für ein Jahr sanieren. Überhaupt blicke man ganz optimistisch in die Zukunft: Die Vorbestellzahlen für das kommende Programm seien verdoppelt, der Frühjahrsumsatz im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent gesteigert worden.

"Schauen Sie", Cynybulk blättert in der aktuellen Herbstvorschau und klingt jetzt fast schon ein bisschen euphorisch. "Das ist doch ein großartiges Programm. Das ist literarisch. Das ist unterhaltsam. Populärer kann ein Verlag wie Aufbau ja gar nicht werden."

Auch er wird wissen, dass das nicht einfach sein wird, sollte Aufbau nicht nur eine Kooperation eingehen, sondern tatsächlich in einen der großen Konzerne integriert werden. Die Gewinne, die Marktriesen wie Random House oder Bertelsmann von ihren Imprint-Verlagen verlangen, sind so massiv, dass Kompromisse im Programm kaum zu vermeiden sind. Aber so weit ist es ja noch nicht.

Natürlich ist es leicht, jedem der Aufbau-Mitarbeiter, der sich in diesen Tagen vergleichsweise gelassen äußert, Beschwichtigungsversuche zu unterstellen. Wahrscheinlich, mutmaßt Cynybulk, könnte man aber über andere Verlage momentan etwas Ähnliches melden und ähnliche Reaktionen hervorrufen. Der Spiegel-Bericht wäre dann vor allem ein Symptom für die latente Dauerkrise, in der sich die Branche befindet und die sich jederzeit in einer kleinen Hysteriewelle entladen kann. Hilfreicher wäre allerdings, Ruhe zu bewahren und mit der Krise umzugehen. Das gilt für die Verlage genauso wie fürs Feuilleton: Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren.

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