Kommentar: Die Ruhe vor dem Crash

Die globalen Finanztransaktionen verlaufen völlig chaotisch. Die Zentralbanken müssen als Feuerwehr bei Kreditklemmen einspringen. Es wird endlich Zeit für eine schärfere Kontrolle.

Was sich auf den weltweiten Finanzmärkten tut, bleibt weiter nebulös. Die Europäische Zentralbank hat gestern nochmals 47,5 Milliarden Euro an die Geschäftsbanken verteilt, um eine Kreditklemme zu vermeiden: Es war die dritte Rettungsaktion in nur drei Börsentagen. Offenbar schätzen die Zentralbanker die Lage an den Finanzmärkten noch immer als sehr kritisch ein. Doch gleichzeitig machte sich schon wieder Optimismus breit: Der DAX kletterte nach oben. Die Anleger scheinen also darauf zu vertrauen, dass die Zentralbanken die Finanzturbulenzen in den Griff bekommen werden.

Vielleicht ist die Zitterpartie tatsächlich vorbei. Aber wie lange? Sollten die Zentralbank-Interventionen gelingen, kann sich dies als tückischer Erfolg erweisen. Denn künftig werden die Spekulanten die Zentralbanken erst recht wie eine kostenlose Versicherung betrachten, mit der auch riskante Geschäfte glimpflich enden. Nach einem kurzen Schock könnte der Übermut an den Finanzmärkten sogar noch steigen. Letztlich haben die Zentralbanken keine Chance, solange sie nur die Folgen der Spekulation abmildern sollen - aber die Investitionen der risikofreudigen Hedgefonds noch nicht einmal minimal kontrollieren dürfen.

Schon jetzt sind die Risiken an den Finanzmärkten gewaltig. Problematisch ist ja nicht nur die Hypothekenkrise in den USA. Auch die Immobilien in Großbritannien, Irland oder Spanien dürften gewaltig überbewertet sein; das Gleiche gilt für die Aktienmärkte und für viele Unternehmen, die überteuert mit billigen Krediten aufgekauft wurden. Es wäre erstaunlich, wenn es nicht irgendwann zum Crash kommt.

Offensichtlich sind die Finanzmärkte überfordert, sich selbst zu regulieren. Denn ein idealer "Markt", so steht es in jedem neoliberalen Lehrbuch, setzt Transparenz voraus. Doch die weltweiten Finanztransaktionen verlaufen völlig unübersichtlich. Keine Bank überblickt noch, welche Risiken sie wo treffen können. Deswegen horten die Kreditinstitute jetzt derart krampfhaft ihr Geld, dass die Zentralbanken einspringen müssen. Den nächsten Crash muss man daher unbedingt politisch nutzen - und endlich eine schärfere Kontrolle der Finanzmärkte durchsetzen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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