Israel: Likud rückt weiter nach rechts
Benjamin Netanjahu setzt sich als Spitzenkandidat des Likud durch. Seinen radikalen Parteifreunden sagt er den Kampf an.
Überraschend war der klare Sieg des ehemaligen israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu bei den parteiinternen Wahlen der Likud-Partei nicht gerade. Nach dem Ausscheiden seines stärksten Gegners, des ehemaligen Außenministers Silvan Schalom, hatte der am Dienstag mit über 73 Prozent der Mitgliederstimmen bestätigte Parteichef keine echte Konkurrenz mehr zu fürchten. Peinlich für "Bibi", wie der Likud-Vorsitzende vom Volksmund gerufen wird, ist indes der große Erfolg für die Nummer zwei: Mosche Feiglin, religiöser Siedler und Vertreter radikaler antiaarabischer Positionen, konnte fast ein Viertel der Stimmen für sich verbuchen.
Der Rechtsruck des rechtskonservativen Likud, in dem "Bibi heute den linken Flügel repräsentiert", so die Meretz-Politikerin Jael Dayan, ereignete sich noch zu Ariel Scharons Zeiten. Der im Koma liegende Expremierminister hatte seine konservativen Parteifreunde mit dem Abzugsplan aus dem Gazastreifen erzürnt. Wenige Monate vor seinem Hirnschlag kündigte Scharon dem Likud seine Mitgliedschaft auf, um eine neue Partei der Mitte, die Kadima, zu gründen. Die liberaleren Likud-Politiker folgten ihm.
Das in der Partei entstandene Vakuum kam der radikalen Bewegung "Jüdische Führung" und ihrem Chef Mosche Feiglin gerade recht. Schon bei den letzten Likud-Vorstandswahlen schaffte es der mehrmals wegen gewaltsamer Proteste verurteilte Feiglin auf Platz drei der Liste. Das Ziel des Politikers, der die arabischen Parlamentarier aus der Knesset verweisen will und Nichtjuden zur Emigration aufruft, ist, "so Gott will, Premierminister zu werden". Das gute Ergebnis für Feiglin ergab sich zum Teil aus der geringen Wahlbeteiligung von knapp 40 Prozent, was aber für die Sommerperiode nicht ungewöhnlich ist. Immerhin stimmten rund 8.000 Likud-Mitglieder für Feiglin.
Netanjahu gab sich zunächst wenig beeindruckt. "Wir sind eine Partei der Mitte", betonte er. "Diese Minderheit hat absolut keinen Einfluss, nirgends." Netanjahu wird nun versuchen, Kandidaten mit liberalem Image für seine Wahlkampfliste zu gewinnen. Für die parteiinterne Bewegung "Jüdische Führung" ist der Likud lediglich Mittel zum Zweck. Das zeigt sich vor allem in Gemeinden, wo der Likud hohe Mitgliederzahlen verzeichnet und doch bei allgemeinen Wahlen keine einzige Stimme bekommt, wie in der Siedlung Bath Ayn östlich von Jerusalem.
Motti Karpel, Mitbegründer der "Jüdischen Führung" und wohnhaft in Bath Ayn, wehrt sich gegen den Vorwurf, seine Bewegung wolle den Likud von innen erobern. "Der Likud ist eine demokratische Partei, in der die Mitglieder über die politische Richtung entscheiden." Karpel war vor knapp zwei Jahren von seinem Chefposten bei der "Jüdischen Führung" zurückgetreten. Während er für ein Zusammengehen mit der "Jüdischen Nationalen Front" eintrat, einer extremistischen Bewegung aus Hebron, setzte sich Feiglin mit der Likud-Option durch.
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