Pornorapper K.I.Z.: "Wir machen Pullermusik"
Die Berliner Band K.I.Z. beweist mit ihrem Album "Hahnenkampf", dass Porno-Rap nicht zwangsläufig dumm ist, sondern in seiner überdrehten Form richtig Spaß machen kann.
Eine Einzimmerwohnung in Kreuzberg. Hinter dem Sofa liegen Chips verstreut auf dem Boden, an den Wänden hängen Boney-M.-Poster. In der Küche harrt eine Packung Fertigpüree "Bruno Fischer locker & flockig" der Dinge, die da kommen, und über allem wacht ein Bild von Afrika Bambaataa. Über sein Konterfei hat jemand "unser aller Vater" gekritzelt, auf seiner Stirn wächst ein Edding-Penis. Willkommen im Reich von Nico alias Euro8000, einem Viertel von K.I.Z., Deutschlands derzeit meistgehypter Hiphopband.
Tarek, das zweite Viertel, blättert in der Zeit, die sich an einer Erklärung des Phänomens K.I.Z. versucht - wie derzeit alle deutschen Medien. Der Ansatz ist immer derselbe: Wie kann es sein, dass ein Quartett aus Berlin mit einer Rezeptur erfolgreich ist, die sich auf Metaphern des primären männlichen Geschlechtsorgans beschränkt? Darf man Musik gut finden, die sämtliche Standards des Gewalt-Porno-Hiphops unverschämt überzeichnet?
Tarek, Nico, Maxim und Sil-Yan alias DJ Craft interessiert die Antwort auf diese Frage herzlich wenig. "Dieser ganze theoretische Überbau stammt von Journalisten, die mehr in unsere Musik hineinlesen, als tatsächlich da ist", findet Tarek. Auf den Deutungsversuch eines der Journalisten, der K.I.Z. soeben erschienenem dritten Album "Hahnenkampf" attestiert, sie würden durch die Dekonstruktion von Gangsta-Hiphop das Genre retten, reagiert das Quartett mit Gelächter. "Ein Rapper sollte das tun, was er am besten kann, und bei uns ist das eben die Schwanzthematik", sagt Nico, und Tarek ergänzt: "Ich habe sicherlich auch Lieder über Liebe oder andere Themen in mir, für die ist die Zeit aber noch nicht reif."
Nihilismus heißt die Religion der Berliner, gepaart mit einer dem Punk entliehenen Scheißegal-Ästhetik. "Wir wollen keinen Gegenpol bilden zu den Aggro-Rappern, das ist überhaupt nicht unsere Intention. Wir respektieren den harten Berliner Sound", so Tarek. Und dennoch heben sich K.I.Z. vom Stumpfsinn eines Songs wie Bushidos "Gangbang" ab, in der auf plumpste Art verschiedene Körperöffnungen "gestopft" werden. Dessen unreflektiertem Prekariats-Porno-Rap steht K.I.Z. Kunst gegenüber, mediokre Inhalte in ungewöhnliche Metaphern zu packen.
Texte wie "Ein Bett im Kornfeld ist immer frei" und "Guten Tag, guten Tag, wir haben dein Leben gefickt" zeigen, dass sich K.I.Z. bei Jürgen Drews oder Wir sind Helden bedienen und schon damit die handelsüblichen Referenzen des Hiphop sprengen, der meist inzestuös ausschließlich andere Rap-Größen als Bezugsquellen bemüht. Weiter geht es mit: "Keine Schwänze sondern Baumstämme, keine Säcke sondern Staudämme", "Mein Schwanz ist so lang, ich führ ne Fernbeziehung" und "Ihr wollt ein Liebeslied, ihr kriegt ein Riesenglied, ein Glied wie vom Schmied" - auf den Beat der alten Hymne von den Beginnern. Solche Lyrics machen Spaß. Beim ersten Mal Hören denkt man noch: Gott, ist das pubertär. Doch dann fühlt man sich plötzlich selbst wieder wie 16, und selbst der Prüdeste unter den Kollegen muss nach dem zweiten Hören verschmitzt grinsen, zu unverschämt, zu überzeichnet ist der K.I.Z.sche Ansatz, aus Scheiße respektive Schwänzen Gold zu rappen. Die vier setzen sich so konsequent über jegliche Konvention hinweg, dass am Ende eine gut gemachte Karikatur des Genres Porno-Rap übrig bleibt.
"Unsere ersten beiden Albenversuche", erzählt DJ Craft, "waren Conscious Rap über das Leben und unseren Alltag, der unheimlich schlecht war. Weil es einfach nicht funktioniert, wenn 15-Jährige einem das Leben erklären wollen. Jetzt machen wir eben Pullermusik, die nichts weiter will, als zu unterhalten."
Stellt man dann aber die Frage, wie viel von K.I.Z wirklich K.I.Z. ist und wie viel ein vom Plattenriesen Universal inszeniertes Spektakel - letzte Woche führte ein Kreuzberger "Spontan"-Konzert drei Tage vor Albumveröffentlichung zu einem Großeinsatz der Polizei und zu einigen Nachrichtenmeldungen -, reagieren die Bandmitglieder gereizt. Die Vorwürfe, K.I.Z. seien längst nur noch ein Promo-Scherz des Majors, kontert die Band verbissen: "Das ist doch völliger Quatsch." Für derlei Aktionen sei vielmehr Marcus Staiger verantwortlich, Label-Chef von Royal Bunker, dem Underground-Label, dem K.I.Z. seinen Erfolg zu verdanken hat. Staiger hat ein feines Gespür für die richtige Promo-Aktion zum richtigen Zeitpunkt und weiß, wie man die Respektlosigkeit des Quartetts am besten nach außen transportiert. Der Sell-out-Vorwurf aus den eigenen Reihen trifft hart: "Die Behauptung ist genauso absurd wie die Ansage, dass man Bionade nicht mehr trinken kann, nur weil es die jetzt in jeder Bar in Mitte gibt", doziert Tarek.
Als Nicos Handy klingelt und Staiger der Band erklärt, dass K.I.Z. auf den Titel der Vanity Fair kommen können, wenn sie sich zusammen mit Campino fotografieren lassen, bricht eine Diskussion los. "Ich finde Campino scheiße, der macht ultraeklige Musik", eröffnet Maxim. "Ich finde die Vanity Fair scheiße", ergänzt Tarek, während er in der Zeit blättert. "Damit erreichen wir Leute, die wir sonst nie erreichen würden, das macht schon richtig Welle", gibt DJ Craft zu bedenken, um im nächsten Atemzug zu warnen: "Andererseits sollten wir uns nicht komplett zu Mediennutten machen lassen." Die Sache wird an diesem Nachmittag noch nicht entschieden, aber K.I.Z. werden wohl zusagen - die Welle, auf der sie derzeit reiten, macht ihnen ganz offensichtlich viel zu viel Spaß.
K.I.Z.: "Hahnenkampf" (Royal Bunker/ Vertigo FM/Universal Music)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja