Irak: Sunniten boykottieren weiter

irakische Spitzenpolitiker einigen sich - mit unklaren Erfolgsaussichten. Es herrscht weiter Hickhack zwischen Bagdad und Washington.

Iraks Premier Nuri al-Maliki: Viele US-Politiker würden ihn am liebsten aus dem Amt werfen Bild: dpa

KAIRO taz Spitzenpolitiker der großen ethnischen und Konfessionsgruppen im Irak haben sich auf erste Schritte der Versöhnung geeinigt. Der kurdische Präsident Dschalal Talabani, der sunnitische Vizepräsident Tarek al-Haschemi, der schiitische Vizepräsident Adel Abdul-Mahdi und der Präsident der Kurdenregion, Massud Barsani, hatten diese am Sonntagabend gemeinsam im Fernsehen der Öffentlichkeit vorgestellt. Danach sollen ehemalige Mitglieder der Baath-Partei des alten Saddam-Regimes wieder einfacher eine Anstellung beim Staatsapparat finden, dem größten Arbeitgeber im Irak. Provinzwahlen sollen nun doch abgehalten und viele Gefangene freigelassen werden, die bisher ohne Anklage in Haft sitzen. Keine Einigung konnte über ein neues Ölgesetz und einige Verfassungsreformen erzielt werden.

Die US-Regierung hat die Einigung der führenden irakischen Politiker unverzüglich als "ein wichtiges Zeichen für ihren Willen, gemeinsam zum Wohle aller Iraker zu arbeiten", begrüßt. Unklar bleibt, wie sich die Einigung auf die konkrete Arbeit des Regierungsbündnisses auswirken wird. Die aus dem Regierungsbündnis ausgetretenen sunnitischen Parteien sind weiterhin nicht willens zurückzukehren. Auch die Bewegung des Schiitenpredigers Muktada al-Sadr verweigert weiterhin die Mitarbeit. Beide verweisen darauf, dass zahlreiche ihrer Mitglieder ohne jegliche Anklage im Gefängnis sitzen. "Von den Angehörigen der Sadr-Bewegung sitzen mehr als 17.000 in den Gefängnissen der Regierung und der ausländischen Truppen", erklärte Hamad al-Massudi, ein Mitglied der Sadr-Partei. Die meisten seien niemals einem Untersuchungsrichter vorgeführt worden. Laut der regierungsnahen irakischen Zeitung Al-Sabah befinden sich derzeit 56.000 Menschen in den Haftanstalten der ausländischen Truppen und der Regierung, die meisten davon Sunniten.

Unterdessen gehen die gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Washington und Bagdad über die Gründe der irakischen Misere öffentlich und wenig diplomatisch weiter. US-Botschafter Ryan Crocker in Bagdad warnte die irakische Regierung, dass sie keinen amerikanischen Blankoscheck besitze. Neben Hillary Clinton, der demokratischen Senatorin aus New York, und ihrem Kollegen aus Michigan, Carl Levin, der auch Vorsitzender des Streitkräfteausschusses des US-Senats ist, haben mehrere US-Abgeordnete die Regierungsbilanz des irakischen Premiers Nuri al-Maliki als enttäuschend, wenn nicht gar katastrophal bezeichnet. Der republikanische Senator John Warner warf al-Maliki vor, bei der Schaffung von Sicherheit "total versagt" zu haben, während die US-Truppen "ausgezeichnete Arbeit leisten". Auch Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner wird im US-Magazin Newsweek mit dem Satz zitiert, er habe seiner US-Kollegin Condoleezza Rice gesagt, al-Maliki müsse abgelöst werden.

Iraks Premier schoss seinerseits am Wochenende bei einer Pressekonferenz in der schwerbewachten Grünen Zone in Bagdad zurück. Die französische Regierung rief er auf, sich für die Äußerungen Kouchners zu entschuldigen. Und US-Politiker wie Hillary Clinton sollten endlich zur Besinnung zu kommen. "Das sind Demokraten, die eine Demokratie respektieren sollten, statt dessen reden sie so, als ob der Irak in ihrem Besitz sei", kritisierte er. Gleichzeitig beanstandete er Einsätze der US-Streitkräfte, bei denen oft Unschuldige festgenommen würden.

Der oberste französische Diplomat hat sich inzwischen entschuldigt. Es tue ihm leid, sich so direkt in die inneren Angelegenheiten des Irak eingemischt zu haben, sagte Kouchner am Montag. Das ändere aber nichts daran, dass es viel Kritik an der Regierung in Bagdad gebe.

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