: Aufklärung über Lieblingsplatz der Nazis
82 Jahre nach Hitlers erstem Putschversuch fordern Neonazis immer noch „Ehre den Toten vom 9. November 1923“. Der Autor Peter Köpf schreibt und demonstriert dagegen. Nun soll am Königsplatz endlich ein Dokumentationszentrum entstehen
AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER
Es kommt nicht oft vor, dass eine Buchvorstellung mit einer politischen Demonstration zusammenfällt. In München ist das dieser Tage der Fall. Gestern hat der Berliner Autor Peter Köpf gemeinsam mit Münchner Kulturschaffenden in der Innenstadt gegen den Aufmarsch von Neonazis demonstriert, Tags zuvor hatte er die im Ch. Links Verlag erschienene „Biographie“ eines Platzes vorgestellt, von dem viel Ungemach ausging in den letzten Jahrzehnten. Und auch der rechte Aufmarsch nahm Bezug auf ihn – auf den Königsplatz.
„Ehre den 16 Toten vom 9. November 1923“ lautete der Demo-Titel – die Neonazis gedachten der Männer, die bei Adolf Hitlers erstem Putschversuch von Polizei und Reichswehr erschossen wurden und die während des Dritten Reichs auf dem Königsplatz aufgebahrt waren.
Vor knapp 140 Jahren hatte Bayernmonarch Ludwig I. den Platz errichten lassen – als öffentliches Zentrum für Kunst und Kultur. Leo von Klenze hat ihn gebaut mit Glyptothek und den Propyläen. Und auch Hitler war begeistert, schon 1913 malte der damalige Kunstmaler ein Aquarell des Königsplatzes. 10 Jahre später, am 9. November 1923, wurden der Platz und der angrenzende Stadtteil dann Schauplatz seines ersten Putschversuchs, der scheiterte. Gemeinsam mit Ernst Röhm und Erich Ludendorff wollte er die „nationale Revolution“ in Gang bringen. Doch noch war die Demokratie halbwegs wehrhaft, der Aufstand wurde niedergeschlagen, 16 Nationalsozialisten wurden erschossen. Ebenjene, deren die Rechten noch heute gedenken. Wieder 10 Jahre später war die Weimarer Demokratie am Ende, hatte Hitler die Macht erlangt und den Königsplatz samt angrenzendem Stadtteil umfunktioniert.
Wehrmachts-Rekruten wurden hier vereidigt, NS-Mitglieder marschierten auf, und in zwei Ehrentempeln waren die 16 NS-Putschisten bis Kriegsende aufgebahrt – sie waren zu „Helden der Bewegung“ ernannt und der Königsplatz selbst zum „Nationalheiligtum“ erklärt worden.
Dass der Königsplatz „irgendwas mit Hitler“ zu tun hat, ist bekannt. Doch die Details waren lange vergessen, wie der Journalist Köpf beklagt: „Die Erinnerung an die NS-Vergangenheit sollte nach dem Krieg ausradiert werden.“ Lange hat er recherchiert, um „den Müll wieder unter dem Teppich hervorzuholen, wo ihn die Stadt und die Landesregierung hingeschoben hatten“, und hat Interessantes zutage gefördert. So wurden die 16 „Helden“-Leichen am 5. Juli 1945 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus den Tempeln gebracht: „Die Leichen wurden ohne Zwischenfälle entfernt und nach Friedhofsschluss unter Ausschluss der Öffentlichkeit beigesetzt“, vermeldete das Friedhofsamt. Nachzulesen ist die wechselhafte Geschichte – inzwischen ist der Königsplatz ein Platz zum Sonnenbaden und für Open-Air-Konzerte – vielleicht ab 2009 auch in einem Dokumentationszentrum. Nach jahrzehntelangen Diskussionen haben sich der Freistaat Bayern und die Stadt „grundsätzlich“ zu dem Bau eines solchen Museums entschlossen. Seit diesem Jahr treffen sich ein Kuratorium und zwei Beiräte. Gebaut werden soll an der Stelle des ehemaligen „Braunen Hauses“, der NSDAP-Zentrale, einen Steinwurf vom Königsplatz entfernt.