WIENERISCH MIT UNTERTITELN
: Kontaktaufnahmen

Denn Liebe kann man doch nicht kaufen

Der Kinosaal war voll. Es gab keine Werbung, aber Nachzüglerinnen, die in unsere Reihe mochten. Ich saß auf Platz 12 und rutschte eine Nummer weiter.

Um uns herum machten einige nassforsch Chipstüten auf. Es gibt Leute, dachten wir, die machen das auch, wenn sie „Henry – Portrait of a Serial Killer“ oder ähnlich Schlimmes sehen. Unsere Sitznachbarinnen – die, derenwegen wir eingerückt waren – waren derselben Meinung. Der Film war „Paradies: Liebe“ von Ulrich Seidl und überraschte mit Untertiteln. Warum sollte das Wienerische hier so schwer verständlich sein? War es gar nicht. Die beiden, derenwegen wir eingerückt waren, hatten aber auch komisch gesprochen. Nur härter. Es ging also um Sextourismus, um Wienerinnen im besten Alter, die im Kenia-Urlaub nach Liebe suchen und es dafür aushalten müssen, junge Kenianer aushalten zu müssen. Was ihnen schwerfällt. Denn Liebe, denken sie mit Paul McCartney, kann man doch nicht kaufen. „Paradies: Liebe“ wirkte schön nach, war aber nicht so ein Brett wie andere von Seidl und schon gar nicht wie ein Haneke. Im Gegenteil, meistens war es lustig. Nach dem Film gingen wir in unsere neue Zweitstammbar. Die Schweizerinnen, das waren die, derenwegen wir eingerückt waren, saßen an der Theke. Und ignorierten uns. Erst als ich von der Toilette zurückkam, hatte mein Kumpan Kontakt aufgenommen. Wir unterhielten uns – etwas beschwerlich, es war nicht ganz klar, ob das hier eine Anmache werden sollte, oder nicht – über den Film, über Seidl, Afrika, über Sextourismus von älteren Frauen. „Das wird uns später nicht passieren! Wir sind aus einer anderen Schicht!“, sagte die eine. Die andere kicherte. Reiche, eingebildete Schweizerinnen! Die Stimmung kühlte merklich ab. Sie gingen dann auch bald. Sie hätten uns wenigstens zu ein paar Drinks einladen können. Das hätte sie gleich viel sympathischer gemacht. RENÉ HAMANN