Black Metal-Inteview: "Das ist Volksmusik"

Die Dissidenz leben: ein Gespräch mit dem Gitarristen Stephen OMalley über die ideologischen Hintergründe der Musikrichtung Black Metal.

Black Metal-Rituale: Skandinavische Folklore? Bild: ap

taz: Herr OMalley, Sie sind Gitarrist. Und in den vergangenen Monaten sind Sie als Teil der Inszenierung "Kindertotenlieder", einer düsteren Tanz-Musik-Performance der französischen Regisseurin Gisèle Vienne, erfolgreich durch Europa getourt. Welchen Reiz hat Black Metal, dass er sogar Theatermacher und Künstler anzieht?

Stephen OMalley: Black Metal ist unglaublich ästhetisch und kraftvoll. In vielen Fällen ist dabei die ganze dahinter stehende Ideologie ausdrucksstärker als die Musik selbst. Die nämlich ist produktionstechnisch oftmals ziemlich erbärmlich. Die Oberflächen-Ästhetik aber ist inzwischen in der Kunstszene angekommen, was tatsächlich ziemlich bizarr ist. Ich selbst arbeite auch noch mit dem Künstler Banks Violette zusammen, einem Bildhauer aus New York, der sich in seinen Arbeiten mit den der Black-Metal-Szene nahe stehenden norwegischen Kirchenanzündern beschäftigt hat.

Wie genau sieht denn die Black-Metal-Ideologie aus, was kennzeichnet seine Ästhetik?

Der Begriff Black Metal geht zurück auf die gleichnamige Platte der englischen Band Venom aus dem Jahr 1982. Doch es dauerte noch ein paar Jahre, bis aus dem Flirt einer englischen Trashband mit Satanismus in Skandinavien und besonders in Norwegen eine eigenständige Subkultur erwuchs. Ende der Achtziger etablierten Bands wie Emperor, Mayhem oder Immortal das Genre, in Abgrenzung zum als zu kommerziell abgelehnten Death Metal. Statt gegrunzt wurde nun eher spitz geschrien, und man unterließ es ab sofort, die Gitarren tiefer zu stimmen. Nordische Mythologie in Kombination mit Hass auf alles und jeden, auch auf sich selbst, wurde zum bestimmenden Element der Szene, die sich bald auch rassistischem und nazistischem Gedankengut öffnete. Auswüchse waren das Niederbrennen von Kirchen, die Ermordung Schwuler und einiger Szenemitglieder.

Mitte der Neunziger wurde Black Metal durch erfolgreiche Bands wie Dimmu Borgir und Cradle of Filth selbst kommerzialisiert, was wiederum jüngst zu einer erneuten Erstarkung des Undergrounds als Gegenbewegung geführt hat. Viele junge Bands aus dieser Subkultur tragen zwar noch das Etikett Black Metal, klingen aber mit ihren Drones und Avantgarde-Einflüssen oft eher nach düsteren Indiebands wie My Bloody Valentine oder nach abstrakter Electronica.

Der in Seattle geborene Gitarrist Stephen OMalley ist Mitglied unzähliger Projekte wie KTL, Lotus Eaters, Khanate und vor allem SunnO))), die mit ihrer Mischung aus Black Metal, Drones und Minimal Music in der Black-Metal-Szene genauso geschätzt werden wie in Avantgarde-Kreisen. SunnO))) treten in Kutten auf und sehen sich als offene Plattform, die einem Improv-Musiker wie Oren Ambarchi genauso Platz bietet wie dem ungarischen Metal-Teilzeitgurgler Attila Csihar. OMalley ist außerdem Grafikdesigner, bildender Künstler und Theatermusiker. In den Neunzigern betrieb er das Black-Metal-Fanzine Descent und ist ausgewiesener Kenner dieser Szene. Er lebt heute in Paris. AH

Black Metal ist in oftmals pubertärer Weise reaktiv und versucht, sich so dissident wie möglich zur Gesellschaft zu positionieren. Um Dissidenz zu leben, kann man es auch mit Anarchie, Veganismus oder straight edge probieren, der Black Metal zieht dazu Satanismus und Okkultismus, teilweise auch Nazismus heran. Ich würde sagen allerdings sagen: Wenn du zehn Black-Metal-Bands interviewen würdest, käme heraus, dass acht oder neun von ihnen pubertär sind, keinerlei soziale Fähigkeiten haben und keine wirklich durchdachte Ideologie vertreten. Sie partizipieren lediglich an vorgefertigten Black-Metal-Codes. Ich glaube, die meisten Black-Metal-Bands verhalten sich wie die bellenden Hunde, die dir nicht ins Bein beißen.

Sie reden von Nazismus im Zusammenhang mit Black Metal. Sie selbst haben eine Zeit lang bei Misanthropy Records gearbeitet, wo frühe Platten von Burzum herausgekommen sind - der Band von Varg Vikernes, einem bekennenden Neonazi und Rassisten, der wegen Mordes an einem Mitglied einer anderen norwegischen Black-Metal-Band zu 21 Jahren Haft verurteilt wurde.

Burzum ist speziell. Ich würde sagen: weit jenseits des Black-Metal-Genres anzusiedeln. Ich hatte nie eine Affinität zu Vark Vikernes Ideologie und zu seinem Rassismus. Ich fand zwar seine Musik und alles um ihn herum interessant, habe darin aber nie einen Wegweiser für mein eigenes Denken gesucht. Vikernes ist ganz sicher eine irgendwie intelligente Person, aber sein Leben ist total ruiniert: Er sitzt im Gefängnis, seitdem er 18 Jahre alt ist, und entwickelt in der Isolation der Haft seine seltsamen Ideologien. Ich glaube, was viele an Black Metal auch so fasziniert, sind diese oft eher philosophisch gestellten Fragen danach, was es bedeutet, in dieser Welt zu sein. Auch Vikernes beschäftigt sich damit in einer romantischen Weise, und das macht für die Szene sein Faszinosum aus.

Black Metal nimmt sich selbst und seine Ästhetik ziemlich ernst. Tun Sie das als reflektierter Hörer dieser Musik auch?

Nein.

Weil diese wahnsinnig tief schürfende Ernsthaftigkeit am Ende auch nur Image ist?

Dem Rock n Roll geht es auch darum, durchzudrehen und Partys zu feiern, anders und dekadent zu sein. Auch das ist oft nur Klischee, man muss das auch nicht alles ernst nehmen.

Aber die Kirchenanzünder in Norwegen, die nahmen sich doch auch jenseits der Imagefrage ernst, oder?

Ich weiß nicht. Diejenigen, die ich kenne, ja. Die werden sich eben gefragt haben: Wie kann ich eine konservative und religiöse Gesellschaft ernsthaft schockieren? Klar, indem ich ihre Ikonen und Symbole zerstöre. Und die alten Stabkirchen repräsentieren in Norwegen eben die Kultur des Landes. Wenn wir von den Kirchenanzündern sprechen, dürfen wir jedoch nicht vergessen, dass wir hier von Teenagern reden.

Ist Black Metal in Lateinamerika oder Polen so präsent, weil dort die Kirche so mächtig ist?

Natürlich. Polen hat eine lange Black-Metal-Tradition - allerdings treiben sich dort eine Menge rassistische Bands herum, wie zum Beispiel Graveland. Und erst vor kurzem habe ich mit dem Gitarristen der Band Gorgoroth gesprochen, die gerade durch Südamerika getourt sind. Er hat erzählt, dass es bei ihren Konzerten in Mexiko zu riesigen Riots kam. Die Leute wurden gewalttätig, und die Polizei schritt ein. Das wiederum ist doch ziemlich cool: Black Metal vermag es also, Chaos zu veranstalten.

Fasziniert an Black Metal also vor allem das, was mehr ist als bloß die Musik?

Ich kann nur für mich selbst sprechen: Ja. Ich bin in einem Vorort von Seattle aufgewachsen, und mich hat vor allem das Fantastische an Black Metal schwer beeindruckt. Ich war weit weg von Norwegen und dennoch fasziniert von dieser bizarren psychedelischen Musik und deren Image.

Sie nennen Black Metal psychedelisch?

Ja, das Genre erzeugt eine bestimmte Atmosphäre, Impressionen, die weit über die reine Musik hinausgehen. Ansonsten ist aber ist das verbindende Element der Black-Metal-Szene: Isolation, soziale Unfähigkeit ihrer Mitglieder.

Jeder hasst jeden?

Die Leute aus der Szene, die ich kennengelernt habe, haben tatsächlich eine Menge Probleme mit anderen Menschen. Jüngere Black-Metal-Bands sind nicht umsonst beeinflusst von Bands wie Joy Division oder My Bloody Valentine, also von Bands, die ebenfalls mit Isolation assoziiert werden, nicht unbedingt in musikalischer, aber doch in psychologischer Hinsicht.

Wie wichtig ist Skandinavien für den Black Metal?

Black Metal ist in gewisser Weise Volksmusik, moderner skandinavischer Folk. Um Black Metal spielen zu können, musst du nicht der beste Musiker sein, aber stark mit lokalen Bezügen arbeiten. Die skandinavische Landschaft ist dabei definitiv wichtig. Auch US-amerikanische Bands sind nicht viel mehr als Nachahmer der in Skandinavien etablierten Codes, weswegen dann zum Beispiel eine Band aus Portland, Oregon über Gletscher und Berge und Fjorde singt.

Neulich, als ich Sie live mit mit Ihrem Projekt KTL hörte, klang Ihre Gitarre bluesig, fand ich. Hat Black Metal Ähnlichkeiten mit dem Blues, in dem ja schon Robert Johnson einen Pakt mit dem Teufel schloss?

In beiden Genres geht es um Isolation, Einsamkeit und Randständigkeit - und um Emotionen, das stimmt. Und der Blues ist ja auch ein Folk Music. Allerdings versteht sich Black Metal oft natürlich als Antiblues, was hauptsächlich rassistisch begründet wird und deswegen albern ist. Vark Vikernes arbeitet nur noch mit Synthies, weil er sagt, Gitarren seien afrikanische Instrumente. Vikernes hat vor zehn Jahren aber auch ein Buch geschrieben, in dem er unter anderem den Schwachsinn behauptet, dass Arier derart starke und funktionstüchtige Körper haben, dass sie nicht einmal ihre Zähne zu putzen brauchen.

Wie steht es heute um Black Metal in rein musikalischer Hinsicht? Dank Bands wie Ihrer eigenen, SunnO))), wirkt das Genre wieder ungemein vital.

Nun ja, aus heutiger Sicht waren schon eher die frühen Neunziger das Golden Age des Black Metal, Mitte der Neunziger setzte mit Bands wie Dimmu Borgir die Kommerzialisierung ein, die dazu führte, dass viele Leute mit Metal einfach abschlossen. Aber es gibt noch sehr viel Spannendes. Black Metal ist heute eher ein Oberbegriff, ein Schirm, der der unterschiedlichsten Musik Schutz gibt. Eine klar definierte Szene gibt es nicht mehr. Das Spektrum reicht von technisch versiertem Black Metal wie bei Death Spell Omega aus Frankreich bis hin zu Bands wie SunnO))). Wir machen mit SunnO))) ritualhafte Zeremonienmusik und wollen so den Spirit, den wir beim Hören der klassischen Bands verspüren, weitergeben. Lustigerweise gelten wir damit auch für Leute außerhalb der Metal-Szene als Vertreter einer nicht mehr nur als kindisch verschrienen Musik. Wir sind legitimer Metal. Wir haben Black Metal auch zu Leuten gebracht, die davor mit dieser Musik nichts zu tun hatten.

Leider bekommt man diese Musik live so schwer zu fassen. Warum gibt es so wenige Konzerte mit interessantem Black Metal?

Black-Metal-Bands touren generell nicht viel. Ich sage es nicht gern, aber: Teilweise ist das auch besser so, weil viele live einfach beschissen klingen. Es gibt Ausnahmen wie Immortal - aber ansonsten spielen Sound und Equipment, worauf ich selbst großen Wert lege, im Black Metal keine große Rolle. Vielleicht hängt die Unlust an Konzerten bei vielen auch damit zusammen, dass du als Tourband einen gewissen Rock-n-Roll-Lifestyle pflegen musst, der der Isolationsideologie des Black Metal schlichtweg diametral gegenübersteht.

INTERVIEW: ANDREAS HARTMANN

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