"Privater Judenboykott": DFB will Dejagah zur Rede stellen
Der Zentralrat der Juden fordert den Ausschluss des Deutsch-Iraners aus der Nationalmannschaft. DFB-Präsident Zwanziger räumte Fehler ein. Und will noch mal auf den Spieler einwirken.
HAMBURG taz/dpa Die Absage des Deutsch-Iraners Ashkan Dejagah für das Israel-Länderspiel wird immer mehr zum Politikum. Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, forderte am Dienstag den Ausschluss des U21- Profis aus der Nationalmannschaft. Der für den Bundesligisten VfL Wolfsburg spielende Dejagah hatte seine Teilnahme am EM- Qualifikationsspiel am Freitag in Israel "aus persönlichen Gründen" abgesagt. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla übte ebenfalls deutliche Kritik. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Theo Zwanziger, räumte indes Fehler ein und machte es von einem Gespräch mit Dejagah abhängig, ob dieser noch einmal für eine deutsche Nationalmannschaft nominiert werde.
"Wer wie der deutsch-iranische U21-Nationalspieler Ashkan Dejagah ein Länderspiel gegen Israel verweigert, handelt zutiefst unsportlich, denn gerade sportliche Wettkämpfe werden friedlich, respektvoll ausgetragen und überwinden politische Spannungen", erklärte Knobloch am Dienstag in München. "Als Nationalspieler repräsentiert der Wolfsburger die Bundesrepublik. Da diese im Bewusstsein ihrer historischen Verantwortung freundschaftliche Beziehungen zum jüdischen Staat unterhält, wäre es ein großer Affront, dieses antiisraelische Verhalten stillschweigend zu dulden. Ich erwarte deshalb, dass der DFB den Spieler aus der deutschen Nationalmannschaft ausschließt", sagte Knobloch. Der Vizepräsident des Zentralrates, Dieter Graumann, hatte zuvor von einem "privaten Judenboykott" des Spielers gesprochen.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla machte deutlich: "Die deutschen Nationalmannschaften, egal in welcher Sportart, sind immer auch Repräsentanten unseres Landes. ... Wer Deutschland im Nationaldress vertritt, ob gebürtiger Deutscher oder Zugewanderter, muss sich zu unserer durch Geschichte und Kultur geprägten Gemeinschaft bekennen. Wer dies aus persönlichen politischen Gründen nicht will, muss das Trikot der Nationalmannschaft abgeben."
Zwanziger räumte inzwischen Fehler ein. "Wir haben Dejagahs Entschuldigung zu schnell akzeptiert", sagte der DFB-Präsident im hr-Inforadio. "Wir hätten mehr nachfragen und nachbohren müssen." Dies werde der DFB nun nachholen. Er selbst wolle das Gespräch mit dem Spieler suchen. "Ich werde es ihm etwas schwerer machen und versuchen, das Verantwortungsgefühl abzufragen, das er als deutscher Nationalspieler zeigen muss", sagte Zwanziger. Von diesem Gespräch hänge ab, ob Dejagah noch einmal für eine deutsche Nationalmannschaft nominiert werde. Grundsätzlich müsse sich Dejagah aber entscheiden, für welches Land er spielen wolle. "Heute bin ich Iraner, morgen Deutscher, wie es mir passt, das wird nicht gehen", sagte Zwanziger dem Sender. Als junger Mensch habe Dejagah allerdings auch das Recht, Fehler zu machen und hinzuzulernen.
Zwanziger hatte schon vorher klar gemacht: "Wir werden nicht hinnehmen, dass ein deutscher Nationalspieler aus Gründen der Weltanschauung seine Teilnahme an einem Länderspiel absagt." Zwanziger hatte die Entscheidung von Trainer Dieter Eilts respektiert, "weil er mir vermitteln konnte, dass der Spieler Gründe angeführt hat, die im privaten Bereich liegen".
In einer DFB-Pressemitteilung hatte Dejagah erklärt: "Ich bitte um Verständnis, dass diese Gründe sehr persönlicher Natur sind und in meinem engsten familiären Umfeld begründet liegen." In der Bild-Zeitung war der 21-Jährige so zitiert worden: "Das hat politische Gründe. Jeder weiß, dass ich Deutsch-Iraner bin." Seit der Islamischen Revolution von 1979 lehnt es der Iran ab, Israel anzuerkennen und verbietet seinen Staatsbürgern die Einreise sowie den sportlichen Wettkampf.
Vor seiner Abreise an diesem Mittwoch mit dem U21-Nationalteam zum EM-Qualifikationsspiel nach Tel Aviv sagte Präsident Zwanziger auf der DFB-Homepage: "Der DFB und der deutsche Fußball fühlen sich seit Jahrzehnten mit Israel und dem Israelischen Fußball-Verband verbunden. Diese Tradition möchten wir gerade mit Blick auf das 60-jährige Bestehen, welches der Staat Israel im nächsten Jahr begehen wird, vertiefen und fortsetzen." Unmittelbar nach der Ankunft wird der DFB-Präsident die Gedenkstätte Yad Vashem auf dem Westhügel von Jerusalem besuchen und einen Kranz zum Gedenken an die Opfer des Holocaust niederlegen. Am Donnerstag stehen Gespräche mit Spitzenvertretern des Israelischen Fußball-Verbandes in Tel Aviv auf dem Programm.
Leser*innenkommentare
Zeigefinger
Gast
Wenn ich es im Fernsehen richtig verstanden habe, dann sagte Charlotte Knobloch wörtlich, der Spieler müsse aus der Mannschaft entfernt werden. Ich dachte, die Zeiten sind vorbei, in denen Menschen weswegen auch immer einfach so entfernt werden. Mit anderen Worten: Forderung und Wortwahl sind empörend und widerwärtig! (Zwinkeraugegrinsefresse)
M. simon
Gast
Es ist ein Dilemma in dem er sich befindet! Es ist im unmöglich "die" richtige Entscheidung zu treffen. Wie auch? Es gibt nämlich keine.
Spielt er, so handelt er, in Bezug auf seine Familie im Iran, fahrlässig und muss in kauf nehmen, dass ihnen Leid angetan wird. Dafür steht er in den Medien gut da, behält seinen Job in der Nationalelf und handelt politisch korrekt.
Spielt er nicht, schützt er seine Familie. Eigentlich das wichtigste was ein jeder besitzt.
Er muss Verantwortung übernehmen - aber für welche Seite? Kann man denn wirklich von einem U21-Spieler erwarten, dass er in diesem Alter eine so mächtige Entscheidung treffen kann? In der man Kultur, Geschichte, Politik, Familie und vieles mehr abwägen müsste um "die" richtige Lösung zu finden.
Es ist leicht, einfach und billig diese Entscheidung von Dejagah zu kritisieren - aber diese zu beantworten vermag keiner!
Sauter
Gast
Das Bild ist denkbar ungünstig ausgewählt
Oliver Huettl
Gast
Herrje, es geht nur um ein verschissenes Fußballspiel!! Koennte nicht mal jemand ein großes Raumschiff bauen und die ganzen religioesen Spinner, und zwar alle, jeglichen Glaubens, ins All schicken?
Wozu haben wir eigentlich die ESA?!
Andreas
Gast
Habe tiefstes Verständnis für die Nöte des jungen Spielers und seiner Familie.
In letzter Konsequenz jedoch kann er unter solchen
Umständen nicht die Bundesrepublik vertreten,
muß also das Nationalteam verlassen. Schade!
Jochen Müller
Gast
Hätte der Spieler nicht vor Unterzeichnung des Vertrags für die Nationalmannschaft offenlegen müssen, dass er nicht bereit ist, gegen Israel zu spielen? Ganz schön link der Knabe, habe null Verständnis für den.
Jonas
Gast
Nur Dejagah selbst kann diese Entscheidung treffen. Wer soll ihm da Ratschläge geben? Der DFB, der Zentralrat, Herr Pofalla? Kennen diese Leute die genauen Gründe für die Absage? Hätte nicht jeder Verständnis für einen deutsch-israelischen Spieler der nicht in Teheran zu einem Spiel antreten möchte?
Solang Dejagah keine Stimmung gegen Israel macht oder in anderer antisemitischer Art auffällt, sollten die Leute seine persönliche Entscheidung einfach akzeptieren. Ich glaube er wollte mit dieser Absage seinen Weg des geringsten Wiederstands finden. Wer kann ihm das verübeln?
Peter
Gast
Mir kommen gleich die Tränen ob der obigen Kommentare. Jaja, wie kann man nur so unmenschlich sein und von einem 21-jährigen Nationalspieler verlangen, für seine Entscheidungen Verantwortung zu übernehmen?
Wer als einfacher Arbeitnehmer eine Arbeit ablehnt, weil jemand in der Familie dadurch Nachteile hätte, den rettet diese Begründung typischerweise auch nicht vor Kündigung, Hartz 4 und Leistungskürzungen. Für den Herrn Fußballer sollen andere Regeln gelten: die Vorteile eines Mitglieds in der einen Nationalmannschaft genießen, aber gespielt wird dann nach den Regeln einer anderen.
So nicht! Ich hoffe, der DFB-Vorstand macht Herrn Dejagah nun deutlich, dass er sich zwischen dem deutschen Nationaltrikot und der iranischen Regierungslinie zu entscheiden hat. Völlig klar, dass für ihn das Wohl der Familie wichtiger ist als der Fußball. Dann soll er sich aber auch so verhalten und aus der Nationalmannschaft austreten!
Giuseppe
Gast
Wieso wird soviel Zirkus daraus gemacht? Klar. Prpaganda und Desinformation gehören zu den "Tools" die einen bevorstehenden "Angriff" auf den Iran vorankündigen lassen. Erinnert dies nich an die selbe Desinformationskampagne die damals 2003 gegen Irak geführt worden ist. Die Folgen sind eine Schande und Desater für den Westen.
Der Zentralrat und die angestaubten Kriegstreiber der CDU sollten nich noch einmal den selben Fehler machen wie 2003. Ein Krieg gegen Iran würde/wird unabsehbare (in aller Hinsicht negative) Folgen für die ganze Region, vielleicht weltweit, haben
Wenn Dejagah nicht mitspielen "will" so ist dessen Entscheidung auch von den angestaubten CDU-Ärsche zu respektieren. Bata.
Jark
Gast
Pofalla, Pflüger und Knobloch lesen offensichtlich ausschließlich BILD, und Zwanziger und Konsorten rudern aufgrund der Desinformationskampagne des traditionell israelverbundenen Axel-Springer-Verlags und all der damit zusammenhängenden, die Wahrheit verzerrenden Informationsschnipseln mittlerweile auch zurück, um Schaden von sich selbst abzuwenden - armer Dejagah. Hoffentlich kann er auch in Zukunft für Deutschland spielen - hoffentlich wird Politik und Sport nicht unzulässigerweise vermischt. Es hat aber den Anschein, als würden die Leute, die am lautesten für eine Trennung von Politik und Sport eintreten, am wenigsten dafür tun.
Paul
Gast
Noch hat der DFB zu entscheiden, wer für die
Nationalmannschaft spielt. Und man sollte einen
so jungen Mann nicht in persönliche Schwierig-
keiten bringen.Das geht sowohl an Frau Knobloch,
als auch an Herrn Pofalla.
Dennis Tenzer
Gast
Derartige Peinlichkeiten ist man vom Zentralrat ja gewohnt, aber ein solcher Artikel von der TAZ ist doch ziemlich enttäuschend.
MeinName
Gast
Oh wie nett, wie doch alle bei der TAZ, einschliesslich Kommentatoren, versuchen, ihren latenten Antisemitismus zu vertuschen. Ja, die Linke und Arabien waren schon immer dicke Freunde. Ach, wie wär es schön, wenn ihr doch in Riad z.B. in Zukunft leben würdet.
Frank Jansen
Gast
Kann mich den vorherigen Kommentaren nur anschließen, ich finde es beschämend vom Zentralrat der Juden, auf welchem Niveau sich hohe Repräsentanten dieses Gremium dazu äußern, daß mit demagogischen Begriffen wie Judenboykott um sich geworfen wird und nicht mal im Ansatz versucht wird die wirklich nachvollziehbaren Gründe für diese Entscheidung zu verstehen.
Dieser Artikel auf Boulevardniveau zusammengestzt aus Agenturschnispeln fügt sich in dieses Bild nahtlos ein, vielleicht sollte man mal auf das Einreiseverbot nach Isreal für Iraner eingehen, welche Folgen eine Einreise für Dejagahs Familie im Iran hätte, vielleicht sollte man auch genauer die menschlichen Folgen, Hintergründe und Unmenschlichkeit dieses Einreiseverbots beleuchten... von der taz wohl nicht (mehr) zu erwarten :(
Dennis Heinert
Gast
Ehrlich gesagt hätte ich mir von der TAZ da etwas mehr journalistische Sorgfaltspflicht als von der BILD gewünscht. Man kann ja zu Dejagahs Entscheidung stehen wie man will, aber in dem Artikel nicht einmal die Sorgen um die im Iran Angehörigen zu erwähnen, ist peinlich und journalistische extrem schwach.
Dennis
Gast
Die Religionen sind der Ursprung allen Uebels. Dass Israel in der UEFA spielt ist nicht Ashkans Schuld. Aber Ashkan ist nunmal ein Deutscher Nationalspieler, der in der Oeffentlichkeit steht und ein gewissen Ansehen geniesst. Somit ist er Vorbild und hat irgendwo Einfluss auf die (jungen) Menschen und sollte meiner Meinung ein deutliches Zeichen fuer Freundschaft, Frieden und Voelkerverstaendigung setzen und mit nach Israel fliegen.
Fabian Kusche
Gast
der spieler konnte an dem länderspiel nicht teilnehmen, da er sonst nicht mehr in den iran zu seiner familie reisen könnte. Außerdem hätte die familie mit sanktionen zu rechnen.
ganzer artikel bei BILDBlog.de
Philippo Mario
Gast
Was "Bild" nicht schreibt: Ashkan Dejagah hat Verwandte, die im Iran leben;sein Bruder spielt bei Paykan Teheran. Es ist nicht auszuschließen, dass sie mit Sanktionen rechnen müssten, wenn Dejagah in Israel spielt. Er hat nicht nur einen deutschen, sondern auch einen iranischen Pass, und der Iran verbietet seinen Staatsbürgern die Einreise nach Israel. Dejagah muss damit rechnen, nicht mehr in den Iran zu seiner Familie reisen zu dürfen, wenn er an dem Spiel der U21 teilnimmt.
Somit kann man seine "persönlichen Gründe" schon besser nachvollziehen.
dizzy
Gast
Dejagah hat Angst um Familienangehörige. Daraus Antisemitismus abzuleiten ist ungeheuerlich. Aus der gemütlichen deutschen Vorortdoppelhaushälfte Tipps für politisch korrektes Verhalten in Terrorregimes geben zu wollen ist grotesk. Dass außgerechnet die taz auf diese B.Z.-Kampagne einsteigt, finde ich beschämend.