: Ältestenrat feiert Kindergeburtstag
In der Affäre um veröffentlichte Steuerdaten von Parlamentariern verhärten sich die Fronten: Der Ältestenrat tagt ergebnislos, die Opposition sieht die Demokratie erschüttert.
![](https://taz.de/picture/413611/14/sarrazin-REUTERS.jpg)
Es klingt aussichtslos. Alle wollen eine Entschuldigung. Der Finanzsenator von den Abgeordneten des Petitionsausschusses. Die Opposition vom Finanzsenator. Und Carola Bluhm, Fraktionschefin der Linken, müht sich um Vermittlung: "Jetzt muss abgerüstet werden. Ich fände gut, wenn beide Seiten Selbstkritik üben." Doch eine Annäherung in der Affäre um von der Finanzveraltung veröffentlichte Steuerdaten dreier Abgeordneter aus dem Petitionsausschuss blieb am Dienstag ein aussichtsloses Unterfangen.
Der Ältestenausschuss des Parlaments befasst sich am Nachmittag mit dem Fall, doch zu einer Einigung im Streit zwischen Behörde und Parlament kam es nicht. Im Gegenteil. Die Fronten haben sich noch verhärtet. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sieht sich voll im Recht. "Ich erwarte, dass die Abgeordneten anerkennen, dass an ihren ehrverletzenden Vorwürfen nichts dran ist. Sie müssen sich entschuldigen und die Strafanzeige zurücknehmen."
Seine Verwaltung hat am Montag voriger Woche Steuerdaten des SPD-Abgeordneten Ralf Hillenberg, des FDPlers Rainer-Michael Lehmann und des Ex-CDU-Parlamentariers Ulrich Brinsa veröffentlicht. Daraufhin hat der Petitionsausschuss Anzeige wegen Verstoßes gegen das Steuergeheimnis erstattet. Das Outing sei zur Verteidigung seiner Behörde nötig gewesen, argumentiert Sarrazin. Alle drei haben mehrfach die Vermutung geäußert, das Finanzamt habe sie wegen ihrer Recherchen im Petitionsausschuss mit Sonderprüfungen schikaniert.
Die Opposition wird nach der Ältestenratsitzung grundsätzlich. Es sei der Eindruck entstanden, das Parlament werde durch die Behörde eingeschüchtert, sagt CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger. "Abgeordnete im Petitionsausschuss sind die Anwälte der Bürger. Sie müssen recherchieren können, ohne Angst haben zu müssen, dass Steuergeheimnisse gelüftet werden." Auch sein Grünen-Kollege Volker Ratzmann sieht "die Grundfesten des Systems" erschüttert. "Sarrazin wollte demonstrieren: Wer mich kritisiert, hat die ganze Macht des Imperiums zu fürchten."
Die Opposition will jetzt Sarrazins Vorgehen in der nächsten Plenarsitzung missbilligen. Gleichzeitig wurden auch Stimmen laut, die die Brachialvorwürfe der Parlamentarier kritisieren. Der Behörde sei ein Imageschaden entstanden, sagt Bluhm. "Abgeordnete tragen große Verantwortung. Wenn schwere Vorwürfe einfach in sich zusammenfallen, ist das ein Problem." Für diese Lesart der Affäre gibt es zumindest Anzeichen. Aus der Sarrazins Veröffentlichung geht hervor, dass die Prüfungen des Finanzamts vor den Ermittlungen des Petitionsausschusses begonnen haben und sich dann lange hinzogen. Bei allen drei Abgeordneten scheint die Intervention der Behörde gut begründet, es geht etwa um ein wegen Steuerschulden gepfändetes Konto oder "zweifelhaft gebliebene Fahrtkosten".
Zudem bestreiten Lehmann und Hillenberg keinesfalls die Richtigkeit der Daten. "Inhalte und die zeitliche Reihenfolge stimmen", sagt Hillenberg. Lehmann jedoch findet die Größenordnung der Prüfungen "unverhältnismäßig". Hillenberg fühlt sich wegen eines standardisierten Fragebogens verfolgt, den das Finanzamt an sein Ingenieursbüro schickte. Das Papier liegt der taz vor: Die vom SPD-Mann unterstellte Schikane bestand darin, einen kleine Tabelle zu Subunternehmern auszufüllen - um Schwarzarbeit zu verhindern.
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