Studiengebühren: Bruch des Bildungsabkommens

Ein Schattenbericht an die UN zeigt: Deutschland verstößt mit der Einführung von Studiengebühren gegen internationale Vereinbarungen. Und verschreckt seine Akademiker.

Werden immer weniger: Studienanfänger Bild: dpa

Die letzte Ermahnung der Vereinten Nationen an Deutschland, sein Bildungssystem auf internationalen Stand zu bringen, liegt noch kein Jahr zurück. Und die nächste folgt bestimmt, denn die Bundesrepublik verstößt mit dem kostenpflichtigen Studium gegen eingegangene völkerrechtliche Verpflichtungen. Das geht aus einem bislang unveröffentlichten Schattenbericht an die Vereinten Nationen vor, welcher der taz vorliegt.

"Der Zugang zu den Hochschulen in Deutschland hängt weiterhin stark vom sozialen Hintergrund [der Studierenden, die Red.] ab", heißt es in dem Bericht über die Einhaltung des UN-Sozialpaktes von 1966. Deutschland hat den Pakt ratifiziert und 1973 im Bundesgesetzblatt als nationales Recht veröffentlicht. Das heißt: Es muss sich daran halten. Konkret hat sich Deutschland verpflichtet, alles in seinen Kräfen stehende zu tun, um das Recht auf Bildung zu gewährleisten und das Studium unentgeltlich zu halten.

Den Schattenbericht haben Anwälte, Studenten und Gewerkschafter verfasst. Die Autoren kritisieren, dass sich die Chancen auf ein Studium weiter verschlechtert haben. "Die Hürde, nach dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung ein Studium aufzunehmen, ist wieder gestiegen und nicht - wie es Ziel des UN-Sozialpaktes ist - gesunken." Als Ursache dafür erkennen die Verfasser die Legalisierung von Studiengebühren im Jahr 2005.

Tatsächlich scheint es einen engen Zusammenhang zwischen der Einführung von Studiengebühren und dem Rückgang der Studienanfängerzahlen zu geben. Vor den Gebühren begannen 356.000 Menschen ein Studium (Wintersemester 2005/2006). Als die Bundesländer das Bezahlstudium berieten und schließlich einführten -- bislang sind es sieben Länder mit verschiedenen Varianten - , brach die Zahl der Erstsemester sofort um 17 Prozent ein. Es wollten dann nur noch knapp 300.000 Abiturienten ein Studium aufnehmen - obwohl die Zahl der Hochschulzugangsberechtigten anstieg.

Die Studienzurückhaltung ist auch am Anteil der Studienanfänger unter Abiturienten abzulesen: 2004/2005 nahmen fast 80 Prozent ein Studium auf, mit der beginnenden Gebührendebatte waren es nur noch 72 Prozent, zuletzt ging deren Zahl auf 60 Prozent zurück. Ähnliche Beobachtungen hatte die OECD zuletzt gemacht. Erklärtes Ziel des Bundesregierung ist, die Zahl seiner Hochschulabsolventen deutlich zu erhöhen.

Die beteiligten Organisationen, darunter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie der freie zusammenschluss von studierendenschaften fordern die UN auf, die Einhaltung des Rechts auf gebührenfreies Studium zu überprüfen und Deutschland zu rügen. Das scheint auch bitter nötig. Nach dem Modus der Vereinten Nationen hätte die Bundesrepublik bereits vergangenes Jahr einen Rapport in Genf vorlegen müssen. Dies wurde bislang aber verzögert - kein Wunder: Denn die Bundesregierung hätte dabei zugeben müssen, dass seine Bundsländer internationales Recht nicht interessiert. Der Schattenbericht aber wird nun in Berlin veröffentlicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.