Das Feuer und der Mythos: Traumfabrik in Flammen

Die Waldbrände in Kalifornien holen Hollywood zurück auf den Boden der Tatsachen. Eine Geschichte von Grundstücksspekulation und Wasserknappheit

Hollywood? Ein Feuer aber kennt keine Metaphern, es schafft Fakten. Bild: dpa

Traumfabrik in Flammen! So könnte demnächst der Titel eines Katastrophenfilms lauten. Die Waldbrände, die Los Angeles zurzeit zu einem Krisengebiet machen, nähern sich Hollywood. Schon ist zu lesen, dass Mel Gibson seine Villa in Malibu verlassen hat, um sich in Sicherheit zu bringen. Erst vor wenigen Monaten hatten ähnlich verheerende Brände ein spektakuläres Agenturfoto hervorgebracht: Man sah, wie nahe die Flammen dem berühmten Hollywood-Schriftzug gekommen waren.

Hollywood ist längst eine Metapher geworden für die ortlose Welt zirkulierender Zeichen. Ein Feuer aber kennt keine Metaphern, es schafft Fakten. Wenn die Helikopter der Feuerwehr den Angriff der Flammen auf das Zeichen der Zeichen gerade noch abwenden können, führt das zum Sieg der Realität über die Vorstellung. Es ist auch ein guter Anlass, daran zu erinnern, dass die Geschichte Hollywoods und seiner Trademark selbst eine Geschichte sozialer und landschaftlicher Verwüstungen ist. Dass der Schriftzug an dieser Stelle errichtet wurde, hatte nichts mit der Filmindustrie zu tun, dafür aber mit den wahren Begebenheiten, die Hollywood erst ermöglichten. Eine davon verfilmte Roman Polanski 1974 in "Chinatown". Die historischen Vorbilder dieser Geschichte sind Harry Chandler, der den Hollywood-Schriftzug anlegte, und William Mulholland, nach dem später die berühmteste Serpentinenstraße der Welt benannt wurde. Ohne Mulholland wäre Los Angeles, das noch im Jahr 1900 nur 100.000 Einwohner zählte, wohl kaum zur Millionenstadt geworden. Denn ohne den Aquädukt, den Mulholland als Chef der Wasserwerke von Los Angeles geplant und von 5.000 Menschen hatte bauen lassen, fehlte es der Wüstenstadt am lebenswichtigen Element. Der Los-Angeles-Aquädukt transportierte das Wasser des Owens River über eine Länge von 233 Meilen in die kalifornische Metropole.

Parallel zu Mulhollands Anstrengungen bestellte Harry Chandler im benachbarten Hollywood den Acker. 1910 wurde Hollywood dem schnell wachsenden Los Angeles eingemeindet. Ausschlaggebend war dabei die Perspektive auf eine üppige Wasserversorgung. Chandler, der zugleich Herausgeber der Los Angeles Times war, besaß riesige Landstriche im Umland, engagierte sich für den Bau des Aquädukts und für die Errichtung des außerstädtischen Straßennetzes - und machte als Grundstücksmakler ein Vermögen.

Ohne das Wasser wäre der Aufbau der Filmindustrie undenkbar gewesen. Obwohl die Filmschaffenden von der Ostküste mit dem für Außenaufnahmen besonders günstigen kalifornischen Licht und Klima angelockt wurden, war Wasser doch die entscheidende Ressource. Plötzlich ließen sich in Hollywood aufwändige Filmsets realisieren, ließen sich afrikanische Dschungellandschaften und künstliche Seen mitten auf dem Gelände der Studios errichten.

Die Filmleute profitierten aber auch von der Austrocknung des Umlands, die das Aquädukt verursacht hatte: Insbesondere Westernproduktionen nutzten von 1920 an die Wüstenlandschaft, die in der ehemals grünen Gegend um den Owens Lake entstanden war. Die Städte, die die ehemaligen Anwohner hatten verlassen müssen, um nicht zu verdursten, wurden kurzerhand zu Filmkulissen umfunktioniert. Über 400 Filme wurden in dieser Gegend gedreht, die aufgrund der niedrigen Produktionskosten beliebt war. Harry Chandler ließ 1923, im selben Jahr, in dem in Hollywood ein riesiges künstliches Wasserbassin zur Versorgung von Menschen und Filmstudios angelegt wurde, dreizehn Buchstaben am Mount Lee anbringen: "HOLLYWOODLAND" war als weithin sichtbare Werbung für mögliche Investoren gedacht.

Zehn Jahre später waren Chandlers Grundstücke längst verkauft. Der Hollywood-Schriftzug musste nun nicht mehr für Grund und Boden werben; er begann zu verrotten. 1949 dachte man bereits über einen Abriss nach, da die Buchstaben morsch und die vielen Glühbirnen, die sie illuminierten, nach und nach gestohlen worden waren. Als sich die Stadt für eine Restauration entschied, entfernte man kurzerhand die letzten vier Buchstaben. "HOLLYWOODLAND" minus "LAND": Die Filmstadt ist nun in den Himmel aufgestiegen, sie hat in der Ortlosigkeit ihr Zuhause gefunden. Bis das Feuer kommt.

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