Kommentar Mosebach-Debatte: Die FAZ-Logik
Die "FAZ" verteidigt Schriftsteller Martin Mosebach gegen den Vorwurf des Geschichtsrevisionismus. Ziemlich persönlich, aber mit wenig Sachkenntnis.
S chön, dass die FAZ in ihrem gestrigen Feuilleton zu einer Verteidigung des Büchner-Preisträgers Martin Mosebach gegen den Vorwurf des Geschichtsrevisionismus ausholt, mit dem Mosebach in einem Kommentar der taz konfrontiert worden war. Schade nur, dass der eigentliche Anlass der Polemik - die Gleichsetzung einer den revolutionären Terror rechtfertigenden Rede des Jakobiners Louis-Antoine-Léon de Saint-Just mit der Posener Rede Heinrich Himmlers, der die beim Massenmord anständig gebliebenen SS-Schergen rühmt - mit keinem Wort erwähnt wird.
Meinem Kommentar ging es darum, die Unterschiede zwischen dem revolutionären Terror von 1793/94 und dem Massenmord der Nazis herauszuarbeiten. Dazu gehört es, die Vorbedingungen für die Herrschaft des Wohlfahrtsausschusses zu verstehen. Die FAZ hingegen verzichtet gänzlich darauf, sich mit solchen Nebensächlichkeiten abzugeben. Stattdessen konzentriert sie sich auf den Nachweis, ich hätte durch den Gebrauch des Begriffs Revisionismus nahtlos an meine Vergangenheit als Maoist angeknüpft. Nach wie vor ginge es um nichts anderes als Denkverbote und - konsequenterweise - die "Ausschaltung" der als revisionistisch Gebrandmarkten.
Was die FAZ zur Verwendung des Begriffs Geschichtsrevisionismus mitzuteilen hat, ist von keinerlei Kenntnis zeitgenössischer historischer Auseinandersetzungen getrübt. Beispielsweise galt innerhalb des Streits um die Erklärung des Stalinismus die sozialhistorisch argumentierende Schule jahrzehntelang als revisionistisch gegenüber den Wissenschaftlern, die den staatlichen Terror in den Mittelpunkt ihrer Analyse stellten. Als revisionistisch wurden auch Historiker der Französischen Revolution bezeichnet, die, wie zum Beispiel François Furet, die im Ergebnis positive Bewertung der Jakobinerdiktatur durch fast alle bedeutenden Historiker der Französischen Revolution im Frankreich des 19. und 20. Jahrhunderts infrage stellten. Weder in dem einen noch in dem anderen Fall führte die Verwendung des Begriffs Revisionismus zum Vorwurf, sie sei Folge einer dogmatischen Verhärtung und zeige den Wunsch, eine bestimmte Version der Geschichtsbetrachtung zu zementieren.
Was aber dem gestrigen Feuilleton der FAZ anhaftet, ist der inquisitorische, ketzerriecherische Grundtenor. Weshalb es auch überflüssig ist, darzulegen, was die Maoisten seinerzeit über den sowjetischen Revisionismus, über das Herrschaftssystem in der Sowjetunion und über die sowjetische Hegemonialpolitik in Osteuropa und Deutschland mitzuteilen hatten. Wer in den damaligen Auseinandersetzungen den Begriff Revisionismus verwandte, kann ihn heute, so die FAZ-Logik, selbstverständlich in keiner anderen Bedeutung verwenden.
So sind und so bleiben sie nun mal, die Roten.
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