"Spiegel"-Chef Stefan Aust geschasst: "Freude auf den Fluren"

Auf Initiative der Mitarbeiter KG wird der Vertrag des Spiegel-Chefredakteurs vorzeitig beendet. Mangelnde Innovationsfähigkeit und "tyrannischer Führungsstil" kosten ihn den Job.

Sucht einen neuen Job. Bild: dpa

BERLIN taz Stefan Aust ist nicht mehr lange Spiegel-Chefredakteur. Am späten Nachmittag gab der Verlag bekannt, dass die Gesellschafter des Hamburger Nachrichtenmagazins auf Initiative der Mitarbeiter KG einvernehmlich beschlossen haben, Austs Vertrag nicht zu verlängern. Seine Zeit beim Spiegel endet damit am 31. Dezember 2008 - spätestens. Denn noch steht zwar kein Nachfolger fest. Dass Aust aber schon vorher abgelöst wird, gilt als ausgemacht: Denn sein Vertragsverhältnis wird nicht nur beendet, sondern auch im Streit. Nach der Entscheidung, von der Aust angeblich im Urlaub auf Bali erfuhr, dürfte eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich sein.

Aust hatte im Januar noch betont, er würde gern weitermachen. Doch die mächtige Mitarbeiter KG setzte nun durch, dass eine Ausstiegsoption wahrgenommen wird: Wäre Austs Vertrag nicht bis 31. Dezember gekündigt worden, hätte er sich automatisch um zwei Jahre verlängert - was bedeutet hätte, dass man Austs Gehalt bis Ende 2010 hätte bezahlen müssen. "Wir sind der Meinung, dass der Spiegel einen Modernisierungsschub braucht", sagte der Geschäftsführer der Mitarbeiter KG, Armin Mahler den Agenturen. "Wir wollen mehr junge Leute an das Blatt binden. Dazu braucht es eine frische, neue Kraft", sagte er - und gab sich sicher, dass es im Verlag einen breiten Konsens für die Entscheidung gebe.

Formulierungen, die überraschend deutlich und barsch klingen - wenn auch bekannt war, dass Aust alles andere als unumstritten gewesen ist. Zwar ging es dem Spiegel, zu dessen Chefredakteur ihn Herausgeber Rudolf Augstein vor 13 Jahren, auch gegen Widerstand aus der Redaktion, gemacht hatte, unter Aust auch in der Zeit der Medienkrise nach 2001 wirtschaftlich gut. Vorgeworfen wurde ihm jedoch nicht Erfolglosigkeit, sondern unter anderem Lustlosigkeit und schlechter Führungsstil - bei seinen Gegnern in der Redaktion ist gar von einem "tyrannischen Stil" die Rede.

Aust habe etwa Artikel verhindert, die ihm politisch nicht gepasst hätten, heißt es. Stets habe er auf eine "wirtschaftsfreundliche Berichterstattung" geachtet. Das bekannteste Beispiel ist der Windkraftfall: Die Spiegel-Chefredaktion hielt einen Artikel über die Vorzüge der Windkraft zurück - gedruckt wurde ein Artikel über "hoch subventionierte Landschaftszerstörung" und "Verspargelung der Landschaft". Ein Text, der manchem Redakteur peinlich war. Und, so berichten Insider, es gab mehrere Fälle dieser Art.

Kein Wunder, dass viele die Nachricht nicht ohne Schadenfreude aufgenommen haben. Aust hatte nicht nur Gegner, doch Spiegel-Mitarbeiter berichten von "Freude auf den Fluren".

Auch mit Geschäftsführer Mario Frank lag Stefan Aust im Clinch - sie sprachen Insidern zufolge nicht mal mehr miteinander. Nun ist Aust gestürzt. Ob Frank, der bei den Mitarbeitern ebenfalls nicht unumstritten ist, bleibt, ist damit allerdings nicht geklärt. Zuletzt hatte die Mitarbeiter KG den Kauf der Financial Times Deutschland durch den Spiegel-Verlag verhindert, den Frank angeregt hatte.

Die Mitarbeiter KG, ein fünfköpfiges Gremium, hat so binnen weniger Wochen zweimal ihre große Macht beim Spiegel gezeigt. Dass sie ihm gefährlich werden könnte, wusste Aust - und so gesehen hatte sich sein Ende als Chefredakteur bereits im März angekündigt. Seinerzeit war Austs Mann, Gabor Steingart, damals Chef des Berliner Büros, bei der Wahl des Gremiums gescheitert. Steingart hatte im Haus bis dahin als Kronprinz Austs gegolten. Stattdessen war Redakteurin Marianne Wellershoff gewählt worden, eine Gegnerin Austs. Neben ihr waren auch Armin Mahler, zwei Mitarbeiter des Verlags und eine Mitarbeiterin der Dokumentationsabteilung Mitglieder der KG.

Die Mitarbeiter KG hält 50,5 Prozent der Anteile am Spiegel-Verlag. Zu den Anteilseignern gehören zudem die Erben von Spiegel-Gründer Rudolf Augstein und der Verlag Gruner + Jahr, der mit 25,5 Prozent am Spiegel-Verlag beteiligt ist. Über Nacht jedenfalls fiel die Entscheidung, Aust abzusägen, wohl nicht. Schon länger sei man sich einig gewesen über die Personalie, heißt es. Die Suche nach einem Nachfolger jedoch ist nicht beendet.

Intern gefallen ist angeblich schon vor Austs Ende der Name von Thomas Kleine-Brockhoff, einst Washington-Korrespondent der Zeit, nun für den German Marshall Fund der USA tätig. Alle anderen Namen sind Spekulation: Matthias Müller von Blumencron, spiegel.de-Chef? Giovanni di Lorenzo, Zeit-Chef? Jemand vom gedruckten Spiegel? Jemand wie Kleine-Brockhoff, den eigentlich zunächst niemand auf der Liste hat, wenn es um die Besetzung eines wichtigen Chefpostens geht? Oder vielleicht gar... Nein, die ja wohl bestimmt nicht. Offiziell heißt es nur, die Entscheidung werde "zu gegebener Zeit" bekannt gegeben.

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