Streitpunkte des CDU-Parteitags: "Chancen für alle" - außer die Türkei
Die CDU will sich beim Parteitag in Hannover als Volkspartei der Mitte präsentieren. Doch der konservative Flügel fordert radikalere Aussagen.
HANNOVER taz Sie ist eine Verwandlungskünstlerin. Vor fünf Tagen, im Bundestag, lobte Angela Merkel noch in höchsten Tönen die Arbeit der großen Koalition - auch die sozialdemokratischen Kollegen. Es sprach: die auf Harmonie bedachte Kanzlerin. Am Sonntag schaltete Merkel um. Ab jetzt spricht: die Parteipolitikerin Angela Merkel.
Auf dem CDU-Parteitag in Hannover will Merkel nicht nur ein neues Grundsatzprogramm beschließen lassen, sie will sich bei dieser Gelegenheit auch anders als im Regierungsalltag präsentieren, nämlich kämpferisch.
Für diese Rolle übte Merkel gleich nach ihrer Ankunft. Beim Rundgang durch die Messehalle erklärte sie, sie werde am Montag und Dienstag "die Abgrenzung zur SPD deutlich machen". Generalsekretär Ronald Pofalla sekundierte: Die CDU wolle mit ihrem Programm "rote Linien" zur SPD ziehen und beweisen, dass sie die einzige "Volkspartei der Mitte" in Deutschland sei und bleibe.
Die Mitte als Monopol der Union - dazu dienen der Leitantrag des Vorstands, der mit der wolkigen Forderung nach "Chancen für alle" überschrieben ist - und der Entwurf für das Grundsatzprogramm, in dem sich die sozial konnotierten Begriffe "Sicherheit" und "Solidarität" fast genauso häufig finden wie die Lieblingsvokabeln des wirtschaftsliberalen Flügels, also "Freiheit" und "Wettbewerb".
Einigen CDU-Mitgliedern ist dieser mittige Kurs freilich nicht radikal genug. So gibt es zahlreiche Anträge, deutlichere Formulierungen ins Programm aufzunehmen. Die CDU-Mittelstandsvereinigung etwa wünscht sich eine dezidierte Absage an gesetzliche Mindestlöhne, die im Entwurf bisher nicht enthalten ist.
Für Debatten sorgen wird auch die Familienpolitik. Manchen konservativen Christdemokraten reicht es nicht, dass die Parteispitze das umstrittene Betreuungsgeld für Eltern, die zu Hause bleiben, "mittelfristig" einführen will - sie verlangen konkretere Zusagen.
Noch heikler für Merkel sind die Passagen zur Außenpolitik. Mehrere Kreisverbände beantragen, dass im Programm ausdrücklich festgehalten werden soll: "Eine EU-Mitgliedschaft der Türkei kommt für die CDU nicht in Frage." So weit will Merkel aber nicht gehen. Schließlich muss sie sich als Kanzlerin an die EU-Verabredungen halten, weiter über einen Beitritt der Türkei zu verhandeln. Deshalb möchte die Parteispitze eher vorsichtig formulieren, dass eine "privilegierte Partnerschaft" zwischen Türkei und EU die "richtige Lösung" wäre. "Ich halte diese Formulierung für ausreichend", sagte der außenpolitische Sprecher der Union, Eckart von Klaeden, der taz, "weil sie einerseits klarmacht, wo die CDU steht, und andererseits die Türkei nicht unnötig vor den Kopf stößt." Ob es der Basis reicht, wird sich zeigen.
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