Reise nach Bali (Teil VIII und Ende): Ankunft in der Realität

Gescheitert: taz-Reporter Reimer erreichte Bali doch nicht ohne Flieger. Die Fähre von Vietnam ist gestrichen. Sein letzter Reisebericht nach 9.300 km im Zug und 3.300 im Bus.

Klimaschutzprotest auf Bali. Bild: reuters

Am Ende geht der Plan nicht auf. Acht Wochen lang habe ich - auf dem Weg zur Klimaschutzkonferenz - nach Alternativen zum Flugzeug gesucht. Schließlich ist Fliegen die umweltschädlichste Form der Fortbewegung. Im Vergleich zu einem Zugreisenden verursacht ein Flugpassagier dreimal so viel Kohlendioxid pro Kilometer. Seit acht Wochen suche ich nach Alternativen zum Fliegen. Und muss nun doch ein Flugzeug besteigen: Die restlichen 2.500 Kilometer bis Bali sind einfach nicht in den verbleibenden fünf Tagen zu schaffen.

In Kuta, der Stadt neben dem Flughafen auf Bali, ist der Sand so heiß, dass man ohne Schuhe nicht laufen kann. Erst am Abend kommen die Touristen, um zu surfen und Fotos vom Sonnenuntergang zu machen. Aber der Himmel ist wegen der hässlich-braunen Abgasstreifen längst nicht so schön wie auf den Postkarten. Alle 15 Minuten landet hier ein Flugzeug. Ich bin zurück auf dem Boden der Tatsachen.

"Die Fähre nach Singapur gibt es nicht mehr", hatte es zuvor im Reisebüro in Hanoi geheißen. Wozu auch?, fragt die Mitarbeiterin verständnislos. Schließlich kostet ein Flug von der vietnamesischen Metropole genauso viel, dauert statt zwei Tagen aber nur zwei Stunden.

Schon zuvor war der Plan, "Zug um Zug" nach Bali zu gelangen, immer wieder durchkreuzt worden. Die Bahnstrecke von Kunming nach Hanoi, einzige regelmäßige Eisenbahnverbindung von China nach Vietnam, ist auf chinesischer Seite stillgelegt. Statt also auf chinesischem D-Zug-Niveau zu reisen, muss man im Bus über die Schotterpiste rumpeln. Auch das letzte Dorf wird noch abgeklappert, an Schlaf ist nicht zu denken.

Eine lange Reise. Bild: Grafik taz

Zwar rollt die Bahn auf vietnamesischem Boden wieder, hier reist man aber in der "Hartsitzklasse": Auf Holzpritschen, die schon für zwei Reisende äußerst unbequem sind, drängeln sich jetzt drei, vier Menschen. Und der Zug ist oft so langsam, dass ich nebenherrennen könnte. Entlang dem Roten Flus braucht er für die 300 Kilometer bis zur vietnamesischen Hauptstadt Hanoi zwölf Stunden.

In Zentralvietnam wird es nicht besser. Sintflutartige Regenfälle hatten hier zu Erdrutschen und Überschwemmungen geführt. Zum Beispiel in Hue, der alten Kaiserstadt in Vietnams Mitte. Hunderte Freiwillige schaufeln am Ufer des Huong Schlamm von den Straßen. Obwohl sich der lehmige Schlick hier meterdick wälzt, lachen die Leute schon wieder. "Ist doch bloß Schlamm", sagt eine junge Frau, "die Menschen weiter unten an der Küste hat es sehr viel schlimmer getroffen." Tatsächlich hatte der Regen die Städte "weiter unten" mehrere Meter überflutet. Über 200 Menschen sind ertrunken.

Hängt das mit dem Klimawandel zusammen? "Ich kann keine offizielle Stellungnahme abgeben", sagt Nga, die in Hanoi beim World Wide Fund for Nature (WWF) arbeitet. Natürlich sei der WWF auch in Vietnam eine vom Staat unabhängige Organisation. Ihren vollen Namen will sie trotzdem lieber nicht nennen. Vielleicht aber so viel - als ganz private Meinung, sagt Nga: "Fluten und Taifune, die hat es schon immer in Vietnam gegeben. Aber wir registrieren, dass sie häufiger und vor allem heftiger werden."

Der Weltklimarat (IPCC) hatte vor wenigen Wochen seinen jüngsten Zustandsbericht veröffentlicht. Tenor: Der Meeresspiegel wird um 1,40 Meter steigen, wenn nicht schnellstens mehr Klimaschutz betrieben wird. "Für Vietnam bedeutet das: Ein Sechstel der Landesfläche wird im Meer versinken", wie WWF-Frau Nga sagt. Bedroht ist beispielsweise das Mekongdelta, die mit Abstand ertragreichste Region des Landes.

Hat denn Vietnams Regierung das Problem erkannt? "Es geht uns gut", sagt Nga, die Mutter eines Kindes ist. Seit zehn Jahren brumme die Wirtschaft, und wenn die Politik in Richtung mehr Privatwirtschaft so weitergehe, "wird sie sicherlich auch noch zehn weitere Jahre brummen". Natürlich sei Vietnam ein sozialistisches Land und sie hoffe, dass das auch so bleibe. "Hier bei uns kommt der Wohlstand bei den Menschen auch an."

Der Sozialismus siegt. Auch gegen den Klimawandel? "Entschuldigung", sagt Nga. Zu politischen Fragen will sie sich lieber nicht äußern.

Die Weiterfahrt nach Ho-Chi-Minh-Stadt ist ungewiss. Während die Menschen in Zentralvietnam nämlich noch Schlamm schaufeln, bereiten sich die Südvietnamesen auf den Taifun "Hagibis" vor. Das Fernsehen zeigt die Bilder: Man vernagelt Fenster, kauft Trinkwasser, bereitet Evakuierungen vor. Und dann droht auch noch Taifun "Mitag", der gerade mit einer Windgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern die Nordspitze der Philippinen passiert. "Das Schlimmste", sagt der Wetterdienst, wäre, wenn sich beide Taifune über Vietnam vereinen.

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