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die wahrheitDas Honigkuchenpony

Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Erwin "Pieps" Huber

So sehen bayerische Sieger aus: Erwin Huber (l.) und Günther Beckstein freuen sich wie Schneekönige Bild: ap

Jahrelang war von ihm kein Pieps zu hören. Obwohl seit 30 Jahren voll und breit in der bayerischen Politik und seit 1994 auf wechselnden Münchener Ministerstühlen zuhause, drang kaum einmal ein leiser Laut aus Erwin Huber. Seit wenigen Wochen aber sprudelt er über: Ob Berufspendlern schon ab Kilometer eins öffentliches Geld in den Tank gepumpt werden darf, ob ältere Arbeitslose länger Staatsknete schlucken dürfen oder ob mehr Hü oder Hott für die größer gewordene deutsche Außenpolitik am Platze ist, Erwin Huber steht den Medien bereitwillig Rede und Antwort wie ein offenes Scheunentor. Seit seinem Antritt als CSU-Vorsitzender stolz wie ein Honigkuchenpony, spricht er mit großem Kopf über jedes Thema, das man ihm vorlegt. So weiß er zum Beispiel, dass es Wolfgang Thierse ohne Helmut Kohl gar nicht gäbe und der deshalb den Altkanzler nicht mit Kritik unterminieren darf, und er hat klar erkannt, dass Deutschland im Fadenkreuz des internationalen Islamismus herumschwimmt.

Plappern gehört zum Handwerk. Aber dass ausgerechnet Erwin Huber plötzlich zu jeder dicken oder dünnen Angelegenheit eine Meinung im Sortiment hat und der Qualitätsjournalismus Schlange steht, um seine Stellungnahmen zu ernten, ist neu. Berauscht vom frischen Amt, glaubt der Niederbayer sich jetzt offenbar stark genug, Berge ausreißen, fette Bretter spalten und es mit den Erwachsenen in Berlin aufnehmen zu können. Nicht lange, und sein Horizont wird auch Wissenschaft, Kunst und Kultur umspannen, als wären sie daumengroß: Dann diskutiert der Huber Erwin morgens mit aus den USA angereisten Thinktanks die aktuelle Lage des Universums, widerlegt nachmittags auf dem Europäischen Philosophenkongress den Neukantianismus aus dem kleinen Finger und entwickelt beim Feierabendbier im Bayerischen Fernsehen aus dem Stegreif eine gemütliche moderne Ontologie, wonach jeder Niederbayer als Teil der Conditio humana immer ein Stück weit Mensch sei, auch wenn er Politiker geworden ist.

Geboren am 26. Juli 1946 in Reisbach (bei Deglfing im Landkreis Dingolfing, Regierungsbezirk Dagelfingen), war Erwin Huber immer mehr als der trockene Finanzbeamte, als den man ihn abtat. Gewiss, der nahezu uneheliche Sohn einer mittellosen Landstörzerin, der auf dem Einödhof eines Onkels zäh voranwuchs, wollte als Kind der Armut wenigstens im Kopf jene Zahlen haben, die andere im Portemonnaie besaßen. So baute der immer strebsam Fleißige nach Ableistung der Mittelschule mit Beflissenheit seinen Steuerinspektor und schaffte sich dank seiner Anstelligkeit 1963 mitten in den Schoß der bayerischen Finanzverwaltung, um dort emsig zu werden; daneben hielt er seine Nase ohne Unterlass in ein Abendgymnasium, paukte mit Bienenfleiß als Student die Volkswirtschaft von außen und rackerte sich 1970 mit Eifer ins Bayerische Finanzministerium hinein. Mit dem Willen des Mannes von kleiner Herkunft machte er sich zugleich mit beiden Beinen in der CSU breit, bekam 1972 das eine in den Kreistag von Dingolfing und 1978 das andere in den Landtag; im Juli 1988 erhob ihn dann Franz Josef Strauß einstimmig und gerade noch rechtzeitig zum Generalsekretär Bayerns, das heißt: der CSU.

Doch auch nach dem Tod des großen Steuermanns drehte sich die Zeit weiter. 1994 gelangte Huber unter Straußens Ziehsohn Stoiber in die saubere Staatskanzlei, musste aber fortan hin- und herschalten: Mal gab er einen prima Finanzminister, dann erneut den 1a-Leiter der Staatskanzlei, mal wachte er als hoher Minister für Bundesangelegenheiten und Verwaltungsreform auf, mal fand er sich als bezahlter Wirtschaftsminister wieder.

Bei dem Minister-wechsle-dich-Spiel ist es kein Wunder, dass er im Jahr 1998 den Überblick über den Bäderkönig Eduard "Capone" Zwick verlor und einen millionendicken Steuerskandal hervorrief, den er nur parieren konnte, indem er einfach nicht zurücktrat! Oder dass ihm im Jahr 2001 die Kirch-Gruppe mit ihren prallen Krediten der Bayerischen Landesbank unter den Fingernägeln zerrann! Auch hier setzte sich Huber einfach auf seine Ohren und blieb so am Leben.

Seit dem 29. September 2007 ist das alles Schnee von hinten. Bevor Erwin Huber sich den Parteivorsitz umschnallen konnte, musste er erst im Land tüchtig aufräumen. Er reiste von Saal zu Saal, trank die Bürgermeister und Gemeinderäte zu Boden und wühlte sich durch die Basis, versprach ihr goldene Eier für die Zukunft, aber malte den schwarzen Peter an die Wand, falls der degenerierte Seehofer die Macht zu fressen bekäme. Es machte sich bezahlt, dass Huber von ganz tief kam und die kleinen Leute aus dem Nähkästchen kannte: Schließlich wurde ihm, weil er stellvertretend für sie alle groß und stark geworden war, der Siegeswimpel aufs Haupt gesetzt. Ein Haupt, von dem jahrelang kein Laut zu hören war, das aber seither übersprudelt und zu jedem Thema eine Meinung hat: Piep, piep, piep

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