Bei Axel Springer brennt das Dach: PIN und die Folgen

Der Springer-Konzern strukturiert sich um und überlegt, aus jeder Zeitung ein Einzelunternehmen zu machen. Gewerkschaften vermuten Tarifflucht.

Ein Blick aus dem Fenster der taz-Redaktion bestätigt: Das Dach brennt eher im metaphorischen Sinn. Bild: dpa

Bei Axel Springer, sagt ein Gewerkschaftsfunktionär, "brennt derzeit das Dach". Kurz von der taz aus aus dem Fenster geschaut, die Straße runter, aufs Springer-Hochhaus: Nein, es brennt nicht. Richtig aber ist: Der Verlag hat sich verhoben.

Die vollständige Übernahme des Postdienstleisters PIN für mehr als eine halbe Milliarde Euro im Sommer scheint die bislang größte Niederlage für Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner zu werden. Springers Konkurrenten wie die WAZ-Gruppe und Holtzbrinck sind dagegen fein raus: Ihre Anteile an der einst gemeinsamen PIN AG hatte Springer erst im Juni für teures Geld gekauft. Gestern hat die PIN Group angekündigt, 1.000 Mitarbeiter zu entlassen (siehe Seite 8). Das Postgeschäft, in dem es um selbst für Springer-Verhältnisse beachtliche Summen geht, droht zum ebenso beachtlichen Flop zu werden. Döpfner gab Anfang der Woche im Springer-Vorstand einen Teil seiner Aufgaben ab. Eventuell soll die PIN Group sogar ganz verkauft werden - mit dann unausweichlich hohem Verlust.

Pin ist nur eine Baustelle bei Springer - aber sie dürfte im Rahmen des angekündigten Konzernumbaus Folgen haben. "Wir werden die Zeche mit weiteren Einsparungen zahlen müssen", heißt es im Betriebsrat.

Der Konzern sei im Umbruch, "der Umbau ist angekündigt, und er läuft".

Wie genau, ist offen: Was sich aber andeutet, ist - der Betriebsrat wurde schon vor einiger Zeit über diese Option informiert - die Zerschlagung des Springer-Konzerns in zahlreiche Einzelunternehmen unter dem Dach einer Holding, zum Beispiel in GmbHs. "Angeblich aus steuerrechtlichen Gründen", wie es aus der Belegschaft heißt. Doch selbstständige Gesellschaften der einzelnen Zeitungen hätten zur Folge, dass es keine Tarifbindung mehr gäbe - und Mitarbeiter befürchten nun, dass an ihren Gehältern gekürzt werden soll, auch wenn man das bei Ver.di für "nicht verhandelbar" hielte. Der Betriebsrat sei "dagegen und sehr beunruhigt", heißt es. Martin Dieckmann von Ver.di sagt: "Die zerlegen den Konzern nicht, um den Tarif zu fliehen." Aber wenn die Pläne in die Tat umgesetzt würden, "geht der Tarif nebenbei verloren. Und warum sollte man bei Springer das dann nicht mitnehmen?"

Zumal das PIN-Debakel ja Löcher reißt, die gestopft sein wollen. Dafür stets bei Springer zuständig: Die lukrative Bild-Gruppe, die unverzichtbare Cash-Cow des Konzerns. Doch die kommt ab 2008 seltsam geteilt daher: Fürs Verlegerische zuständig ist dann Springer-Vorstand Andreas Wiele. Doch die redaktionelle Oberaufsicht bleibt bei Konzernchef Mathias Döpfner. Döpfner schwebt auch weiterhin über dem Welt-Verbund (Welt, Welt am Sonntag, welt.de), der ebenfalls eine einzige Baustelle darstellt. Vor allem die von Welt-Oberchefredakteur Christoph Keese ausgegebene "Online-First"-Strategie erweist sich als großer Flop - mit dem einzigen Trost, dass er nicht so teuer ist wie die PIN-Geschichte.

An der haben ohnehin andere Schuld, wie Springer seine Titel in eigener Sache in den letzten Tagen unüberhörbar kommentieren ließ: "Der Wettbewerb, der an die Stelle des altdeutschen Monopols treten sollte, wird abgewürgt, bevor er sich überhaupt entfalten kann", schäumte die Welt. "Gesetzliche Mindestlöhne vernichten Arbeitsplätze, statt neue zu schaffen", schnarrte Bild. Immerhin: Den redaktionellen Durchgriff haben sie bei Springer noch nicht verlernt. Nur genützt hat es diesmal - nichts.

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