Niemals allein auf der Trauminsel

Mit dem eigenen Butler unterwegs auf dem Haa-Alifu-Atoll im Norden der Malediven. Er arrangiert alles: vom Bad mit stimmungsvollem Kerzenschein bis zum Gala-Diner im Regenwald. Süße Regression für die einen, harte Arbeit für die anderen. Eine Luxusreise auf das Insel-Atoll im Indischen Ozean

VON KORNELIA STINN

Jeder, der auf die Malediven will, landet zuerst in Hulhule. Von da aus geht es weiter auf eine der Ferieninseln im Indischen Ozean. Mit 250 Kilometer am weitesten entfernt liegt das Fünf-Sterne-Resort Island Hideaway Dhonakulhi hoch oben im Norden. Es eröffnete vor einem Jahr und ist derzeit noch das einzige Resort im Haa-Alifu-Atoll. Als Clou erlebt dort eine nahezu überwunden geglaubte Einrichtung aus dem letzten Jahrhundert ihr umjubeltes Comeback: eine Rund-um-die-Uhr-Butler-Betreuung.

Am Flughafen von Hanimaadhoo landet die Maschine der Island Aviation, die die Maledivengäste zum nördlichsten Atoll bringt. Letzte Zwischenstation nach Dhonakulhi. Den Touristen strahlt eine Reihe leinengewandeter Männer entgegen. Braun die Hosen, ockergelb die Hemden, Trauminsel-verdächtig das Lächeln. Knackig jung und schokoladig braun scheinen sie tropische Urlaubsstimmung pur zu verkörpern. „Ich heiße Abdullah und ich bin Ihr Butler“, sagt der eine und nimmt schon mal das Gepäck. Sechs Fluggäste, sechs „Butler“ und noch eine Dhoni-Fahrt über die lebhaften Wasser des Indischen Ozeans. Während die sitzenden Gäste nahezu Luftsprünge vollführen, servieren die jungen Männer ihnen Tee und tun gerade so, als hätten sie festen Boden unter den Füßen. Viele, die hier als „Butler“ arbeiten, stammen von einer der umliegenden Einheimischen-Inseln im Haa-Alifu-Atoll. Sie sind froh, so nah ihrer Heimat Arbeit gefunden zu haben. Abdullah etwa ist zuhause in Dhidhoo. In nur zehn Minuten ist er mit dem Schnellboot daheim. Daheim in einer ganz anderen Welt.

Nach zwanzig Minuten kommt Dhonakulhi in Sicht. „Dhonakulhi“ heißt „großes Wasserloch in der Insel“. Der Croissant-förmige Winzling im Haa-Alifu-Atoll misst 1.400 Meter in der Länge und 500 Meter in der Breite und hat eine brauchbare Seeräubergeschichte zu bieten. In Urzeiten soll er besiedelt gewesen sein. Man fand Reste einer Moschee aus Korallenstein und auch Grabsteine aus Korallen. Irgendwann, so heißt es, kamen Piraten von Malabar herüber. Sie sollen die Insel vereinnahmt und als Basislager für ihre Beutezüge benutzt haben. Die Bewohner aber sollen nach Dhidhoo, dem heutigen Verwaltungssitz des Atolls, geflüchtet sein.

Vor über einem Jahr schwappte mit der Eröffnung des „Island Hideaway“ die zweite Besiedlungswelle über die feinen Sandstrände in den Dschungel aus Kokos- und Pandanuspalmen, Mangroven und anderen Urwaldgewächsen. Es ist das derzeit nördlichst gelegene Resort der exotischen Malediven-Inselwelten. Seine 43 Villen versinken umschlungen von den Armen des Urwaldes in üppiger Vegetation, bieten direkten Strandzugang oder frohlocken auf Stelzen mitten im Meeresrauschen. Bei geöffneter Schlafzimmertür kann man (beinahe) direkt vom Außenswimmingpool ins Bett hineinhüpfen. Der Manager Tim Bilfinger hat sich den Top Service auf die Fahnen geschrieben. Und das heißt: „‚Ja‘, ist die Antwort. Aber wie lautet die Frage?“

Man kann das ausprobieren, indem man in seiner Villa am Telefon den Knopf mit der Aufschrift „Butler“ drückt. Er ist der Mittelsmann, der hier alles arrangieren kann: vom Bad mit stimmungsvollen Kerzenschein bis zum Inseltrip mit dem Speedboat. Natürlich richtet er auch ein Picknick aus oder ein Gala-Diner an jedem Wunschort der Insel.

Und selbstverständlich begleitet Abdullah seine Gäste auf den breiten Sandwegen bei der Eroberung des Dschungels oder zum Fotoshooting an der Nordspitze. Von der breiten Sandbank dort kann man hinüberschauen zum unbewohnten Inselchen Gaafushi, wo der Tsunami seine Spuren hinterließ. Den Kellnerservice im Restaurant macht er selbst für seinen Gast und bestellt auch anschließend einen Buggy. Das ist kein Kinderwagen, sondern ein offenes Elektroauto, das den Gast zur Villa zurück oder zu jeder Zeit an jeden gewünschten Punkt der Insel bringt. Kurz: Der Butler macht eben alles – immer.

Abdullah bestätigt den versprochenen Komplettservice: „Ich bin 24 Stunden bereit.“ Die 24 ist sowieso seine Zahl: Er ist als „Butler“ für die Villa Nummer 24 zuständig. Dahin bringt er jeden Tag den frischen Obstteller und ruft an, wenn der Gast sich eine Weile nicht meldet.

Aber was sind das für Anliegen, die die Gäste nachts haben könnten? Abdullah: „Es kommt nicht selten vor, dass ich nachts geholt werde. Dann handelt es sich in der Regel um ungebetene Mitbewohner, die ich entfernen soll. Vor allem Spinnen.“ Abdullah wohnt, genau wie alle anderen 200 Mitarbeiter, im Staff-Village in der Mitte der Insel. In ein paar Minuten ist er bei Knopfdruck in der Vierundzwanzig. Einmal in der Woche hat er einen freien Tag. Den spart er sich auf bis zum Ende des Monats, um nach Hause zu fahren. Auf „seine“ Insel Dhidhoo. Jede Woche kann er sich das nicht leisten. Die Heimfahrt kostet 30 US-Dollar. Das ist etwa 10 Prozent von seinem Lohn. Als er noch im Khuramathi-Resort arbeitete, brauchte er die Überfahrt nicht zu bezahlen und arbeitete „nur“ 9 Stunden täglich. Er war aber weiter von daheim entfernt und konnte nur alle drei Monate nach Hause.

Der Tourismusboom, der in den 70er-Jahren mit den Ferieninseln einsetzte, spielte sich weit entfernt vom Haa-Alifu-Atoll im Norden ab. Dennoch nahm im Laufe der Zeit manch einer wie Abdullah in den entfernten Resorts eine Tätigkeit an. Dhonakulhi aber ist nun eine neue Chance, und im Laufe der nächsten Jahre ist vorgesehen, fünf weitere Tourismusinseln im Norden zu schaffen. „Da werden wieder viele von meiner Insel eine Arbeit finden“, sagt Abdullah.

Eine Arbeit in einer anderen Welt. Wo schon der Frühstückstisch sich unter nicht gekannten Schätzen biegt und der Fruchtsaft aus den Kühlbehältern strömt. Abdullah schlendert an der Seite seines Gastes die Schiffsanlegestellen entlang. Da, eine Schildkröte! Gerade schnappt sie nach Luft. Das Dhoni mit der edlen Holzausstattung gehört zu „Meridis Dive“, der Tauchbasis. Nicole Schachtner aus Bayern war jahrelang auf der ganzen Welt unterwegs, um einen besonderen Ort für die lange geplante Tauchbasis zu finden. Ganz begeistert ist die passionierte Taucherin von dem, was die Unterwasserwelt hier zu bieten hat: „Am Hausriff zum Beispiel sieht man Fische in leuchtenden Farben zwischen Weichkorallen umherschwirren: Süßlippen- und Papageienfische, Clownfische und Blaustreifenschnapper …“ Sie schwärmt von den Mantas, die im letzten Jahr zwischen Oktober und Mai durch den angrenzenden Kanal geströmt sind. „Das müssen an die hundert gewesen sein. Es lässt sich vermuten, dass sie sich hier sogar vermehren.“ Tauchen ist auch eine Leidenschaft von Abdullah. Manchmal veranstalten sie ein regelrechtes „Butler-Tauchen“ … Taucht er dann aber wieder eine Zeitlang in seine Inselwelt in Dhidhoo ein, so ist es ihm, als erwache er aus einem Traum. Und er weiß nicht, „ob es ein guter oder ein schlechter war“.

Im Angebot des Island Hideaway befindet sich die Möglichkeit zum Besuch der Picknick-Insel Khudera. Dieses nur wenige Quadratmeter umfassende Urwaldrefugium mit vorgelagerter langer Sandbank verkörpert alles, was sich ein Tourist unter einer einsamen Trauminsel vorstellen mag. Das Hideaway Resort hat sie gemietet. Abdullah hat schon manchen Picknickkorb gepackt, dessen Inhalt von Gästen auf diesem entlegenen Fleckchen Erde mitten im Ozean verzehrt wurde. Letzthin hatte ein Dhoni dort festgemacht, das Leuten von Dhidhoo gehörte. Sie waren zum Fischen hergekommen. „Das ist eigentlich nicht erlaubt“, sagt Abdullah. Doch wer soll es schon verhindern?

Aber so ist das mit vielen Eilanden, die zu der paradiesisch anmutenden Inselwelt der Malediven gehören. Seit der Präsident so manches unbewohnte Land im Meer als Resort-Insel verpachtete, haben die Einwohner dort keinen Zutritt mehr, es sei denn als Mitarbeiter wie Abdullah. Etwa 80 Inseln wurden auf diese Weise tabu für die Einwohner. Für die Malediver Territorien, wo sie Kokosnüsse ernten oder Fischgründe aufspüren konnten. Dhidhoo – Utheem – Khudera – und schließlich wieder Dhonakhuli: ein kleiner Streifzug innerhalb des Haa-Alifu-Atolls, das aus 16 bewohnten und 24 unbewohnten Inseln besteht. Allesamt Trauminseln – eigentlich.