Verleihung des Goldenen Prometheus: Berlinig und erwartbar
Die Verleihung des "Goldener Prometheus" zeichnete sich durch Vorhersehbarkeit aus. Allein der Größenwahn von Matthias Matussek sorgte für einen Höhepunkt.
Die dritte Verleihung des Goldenen Prometheus unterirdisch zu nennen, verbietet sich allein schon deshalb, weil sie es im Wortsinn war. Der U3 Bahnhof Potsdamer Platz ist eine dieser Partylocations, die von Touristen gerne als "berlinig" bezeichnet werden - was auch immer das genau heißen mag. Es muss am vielen Beton liegen und an dessen subkultureller Ausstrahlung.
Ein Blick auf die Gästeliste des vom Fachverlag Helios Media gestifteten Journalistenpreises und auf die Abendkleider der Damen zeigte jedoch, dass sich am Montagabend im Untergrund von Berlin-Mitte eher das mediale Establishment versammelt hat: Stefan Aust war da, Maybrit Illner, Günther Jauch, Anne Will - nur einer, der hier gut hingepasst hätte, fehlte trotz Nominierung als "Magazinjournalist des Jahres": Ulf Poschardt blieb dem Branchentreffen nach seiner Absetzung als Vanity Fair- Chefredakteur lieber fern.
Dafür erschien Ex-Spiegel-Kulturchef Matthias Matussek und wurde für seinen Videoblog "Matusseks Kulturtipp" prompt als Onlinejournalist des Jahres ausgezeichnet, "die Krönung meiner Laufbahn" log er ins Mikrofon von Prometheus-Stammmoderator Jörg Thadeusz, der gewohnt routiniert alle Galamoderations-Peinlichkeiten umschiffte. Matusseks Auftritt, bestehend aus in die Höhe gerissenen Armen, ein bisschen Gebrüll und einer größenwahnsinnigen Dankesrede in Oscar-Manier, von Thadeusz mit Matusseks Digitalkamera für die Nachwelt festgehalten, war der einsame Höhepunkt eines lauen Abends.
Der Träger des Lebenswerk-Preises, Spiegel-Legende Jürgen Leinemann, konnte den Preis wegen seiner Krankheit nicht selbst entgegennehmen. Ansonsten erwarteten die Gäste wenig interessante und höchst erwartbare Juryentscheidungen: Anne Will als "Fernsehjournalistin" des Jahres auszuzeichnen und Christoph Amend, Redaktionsleiter des Zeit Magazin Leben, als "Magazinjournalisten" des Jahres, ist alles andere als originell. Dabei war dies doch der schon am sehr bunten Layout klar ablesbare Anspruch des Medienmagazins V.i.S.d.P. von Herausgeber Hajo Schumacher, das im September 2006 nach nicht mal zwei Jahren eingestellt wurde, unter dessen Label der Goldene Prometheus aber immer noch verliehen wird. Damit ist der Goldene Prometheus der wohl einzige bloß von einem mickrigen Internet-Newsletter ausgelobte Journalistenpreis Deutschlands - und wird trotzdem immer wichtiger, wie sich schon an der in diesem Jahr besonders prall gefüllten Gästeliste ablesen ließ. Relevanz ist offenbar eine ziemlich irrationale Kategorie.
Leser*innenkommentare
normalo
Gast
Als Normalo versteh ich da Bahnhof, sie lassen ihre Leser im Regen stehen. Wieso dann treffen sich die ganzen Möchtegerns an diesem Ort, wegen der guten Brötchen, gibts direkt Geld, was soll der Quatsch überhaupt. Unfassbar ist nur, dass sich diese selbsternannte Elite von irgendwas auch noch etwas drauf einbildet, Rentnertheater von allesamt staatsfinanzierten und staatsanhängenden Großmäulern. Was ist an diesem Champagnerbetrieb noch "Kultur". Traurig
walmo
Gast
Hinter dem Preis steht die Helios Media, die PR und Lobbyarbeit bei Politikern und Medien macht. Als Feigenblatt und um direkten Einfluss auf Journalisten auszuüben gibt der Lobbyist Helios auch VISDP heraus. Deshalb rennen so viele bekannte Journalisten zur Preisverleihung eines "Internet-Newsletters" und lassen sich im Namen einer PR-Firma einen Preis überreichen. Schade, dass die taz diese Zusammenhänge nicht erwähnt. Vielleicht mal in einer anderen Geschichte?