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Archiv-Artikel

Rechte untergraben

Bundesgerichtshof-Urteil zur Frage des Mietschutzes nach Wegfall des Eigenbedarfsgrundes sorgt für Aufsehen

Der 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) wollte in einer umstrittenen Rechtsfrage ein bahnbrechendes Urteil sprechen und hat nun einen brisanten Rechtsstreit vom Zaum gebrochen, der wohl das Bundesverfassungsgericht beschäftigen wird: Wiegt das Eigentumsrecht eines Vermieters schwerer als das Besitzrecht einer Mieterin an einer Wohnung, wenn der Eigenbedarfsgrund entfallen ist?

Begonnen hat alles in Hamburg: Ein Vermieter machte gegenüber seiner Mieterin Eigenbedarf geltend, da er seine Schwiegermutter in der Wohnung einquartieren wollte. In zwei Instanzen bekam er Recht, das Landgericht räumte der Mieterin lediglich eine Räumungsfrist ein. Sie musste in ein neues – teureres – Domizil umziehen. Erst später erfuhr sie, dass die Schwiegermutter schon vor Ablauf der Räumungsfrist verstorben und der Eigenbedarfsgrund also entfallen war.

Die Ex-Mieterin klagte wegen der Umzugskosten auf Schadenersatz und bekam vorm Landgericht prompt Recht. Der BGH hob das Urteil nun aber auf. Nach einer ordnungsgemäßen Eigenbedarfskündigung bestehe für den Vermieter keine Verpflichtung, die Mieterin über einen Wegfall des Eigenbedarfsgrundes in der Räumungsfrist zu unterrichten, um ihr so einen Verbleib in der Wohnung zu ermöglichen, so der BGH. „Vertragstreue“ Mieter seien sonst gegenüber denjenigen im Nachteil, die Räumungsprozesse als „Verzögerungstaktik“ anzettelten, um so auf eine veränderte Lage zu spekulieren. Der Überprüfung des Eigenbedarfsanspruchs hatte indes das Landgericht gerade Priorität eingeräumt, „aus langjähriger Erfahrung durch zahlreiche Fälle vorgetäuschten Eigenbedarfs“.

Auch für Eve Raatschen von Mieter helfen Mietern ist das Urteil ein Schlag gegen Mieterrechte. Ihr seien diverse Fälle bekannt, „wo aus ganz anderen Gründen als dem Tod“, zum Beispiel, weil der Anwärter in eine andere Stadt gezogen sei, der Eigenbedarfsanspruch entfallen ist. Laut Raatschen werden nun diejenigen diskreditiert, „die vom verfassungsmäßigen Recht Gebrauch machen, den Eigendarf gerichtlich überprüfen zu lassen“. MAGDA SCHNEIDER

AZ: VIII ZR 339/04