Kolumne Ökosex: Baby, sei ein Steuerflüchtling!

Normale Steuern zu hinterziehen ist was für uncoole Millionäre. Energiesteuern optimieren macht mehr Spaß.

Maastricht. Heute Morgen. Ich lese als normaler niederländischer Steuerzahler meine Regionalzeitung Dagblad de Limburger. Da, schon wieder ein Foto von einem deutschen Postangestellten. Seit Tagen wird auch hier genüsslich berichtet, wie abgrundtief kriminell bei euch die Vielbesserverdiener sind. Ja, so eine Story gefällt uns, und wir sind erschüttert. Natürlich dachten wir in den Niederlanden - und das ist jetzt ironisch gemeint -, die deutschen Konzernlenker wären strahlend rein wie ein Atomkraftwerk, sauber wie die Kohle mit Dioxidabscheidung und effizient wie ein Porsche in der Londoner City.

Sind sie nicht? Ich höre in diesen Tagen natürlich oft den Song "Du bist ein Steuerflüchtling" von Funny van Dannen. Der bedeutendste deutsche Künstler der Gegenwart hat in diesem Werk bereits die Post-Geschichte vorweggenommen. Aber keine All-inclusive-Verurteilungen gegen Steueroptimierer. Steuern zu "sparen" ist an sich eine tolle Sache. Ich bin auch ein Steuerflüchtling - eine Art kleiner Schumi.

Nicht weil ich mich schon vor Jahren ins Steuerparadies Niederlande abgesetzt und hier sogar einen Briefkasten habe. Nein, sondern weil ich in den letzten Jahren viele Steuern "optimiert" habe, um es in der Fachsprache auszudrücken. Mir geht es dabei nicht um die langweilige Einkommen- oder Vermögensteuer. Da mehr oder weniger zu schummeln kann jeder. Die echte Herausforderung ist die Krone des Steuersystems: die Energiesteuer. Der wahre Solarpatriot probiert natürlich, so wenig Energiesteuern wie möglich zu bezahlen. Im Dienste des Staates wohlgemerkt. Gemäß dem Ökosexmotto: Der solare Effizienzrevolutionär fragt nicht, was die Regierung für mich tun kann. Sondern er fragt, wie er ganz persönlich dem Staat in Sachen Klimaschutz unter die Arme greifen kann. Die Antwort ist verblüffend: Steuern runterziehen. Das ist das transparente Gegenteil von hinterziehen.

Energiesteuern runterziehen ist eine echte Win-win-win-Situation. Bekanntlich bin ich auch der Generalsekretär des Klimaclubs Deutschland (KCD). Unser Ziel: bis Ende 2008 eine 50-prozentige Energiesteuerersparnis. Wie erreichen wir die? Einfach 50 Prozent weniger steuerpflichtige fossile Energie verbrauchen oder diese durch steuerfreie erneuerbare ersetzen. Da geht es um tolle Optimierungen im Bereich der Erdgas- und Mineralölsteuer.

Fallbeispiel Auto: Ein 3-Liter-Auto zieht im Vergleich zur 8-Liter-Schüssel pro 100 Kilometer ungefähr 2,50 Euro Mineralölsteuer runter. Das sind bei 20.000 Kilometern im Jahr bereits 500 Euro Gewinn, cash auf die Hand! Damit wird jede Fahrt von Luxemburg nach Liechtenstein zur wahren Steuerersparnis. Und das ganz legal! Atomenergie ist schon deshalb blöd, weil Uran steuerfrei ist. Da kann man keine Uransteuer sparen, kommt also als ernst zu nehmende Energiequelle nicht in Betracht.

Wichtig also: Steuern sparen sollten wir auf keinen Fall verteufeln, sondern den Volkssport in die richtigen Bahnen lenken. Dafür braucht es Steuerberater wie mich, die sich endlich auf die Energiesteuern konzentrieren.

Ein naher Verwandter von mir bekam vor zwei Wochen 3.500 Euro vom Staat überwiesen für seine Heizungsmodernisierung mit Solaranlage! Und damit spart er in nächster Zeit jedes Jahr hunderte Euro Erdgassteuer. Lang lebe der Finanzminister! Ein anderes leuchtendes Beispiel: Jens Grün aus Marxen am Berge ist Ehrenmitglied im Klimaclub. Er hat in den letzten Jahren mit Dämmmaßnahmen, Solar- und Holzheizung, Sparauto mit Pflanzenöl und Ökostromanbietern bereits 90 Prozent CO2 vermindert, also auch seinen Energiesteuersatz professionell optimiert. Ich werde ihn mal fragen, ob er mit mir ins Steuerberatungsgeschäft einsteigt: "Ökosex und Partner".

Fragen zur Steuerflucht? kolumne@taz.de Montag: Kirsten Reinhardt über Katastrophen

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