Realschullehrer gegen Schulfusion: Lern nicht mit den Hauptschulkindern!

Realschullehrer in Baden-Württemberg wehren sich gegen einen gemeinsamen Unterricht mit den Hauptschulen. Beide Seiten würden verlieren.

Cineastischer Hauptschüler oder gewaltbereiter Gymnasiat? Bild: dpa

BERLIN taz Realschullehrerin Sabine Unger sagt, sie könne schnell erkennen, wer die Hauptschüler auf dem Pausenhof seien, den sich die Kids beider Schulen im baden-württembergischen Niefern-Öschelbronn teilen. Woran? An der Ausdrucksweise, sagt sie. Am Verhalten. Daran, dass man häufig dazwischengehen müsse. Kein Wunder also, dass sich Unger gegen die Pläne des Landes sträubt. "Man kann nicht einfach zwei Schularten zusammenkippen", sagt sie.

Baden-Württembergs Kultusminister Helmut Rau (CDU) hatte vergangene Woche überraschend angekündigt, dass Haupt- und Realschulen in Zukunft die Klassen 5 und 6 zusammenlegen sollen. 2009 soll es in 20 "Kooperationsschulen" in einem Modellprojekt losgehen. Damit reagiert das Land einerseits auf das Sinken der Schülerzahl an Hauptschulen. Andererseits kommt Rau, wenn auch nur moderat, den inzwischen 400 aufständischen Schulleitern im Südwesten entgegen, die seit Monaten ein längeres gemeinsames Lernen fordern - für Hauptschüler, Realschüler und für Gymnasiasten. "Ein Schrittchen in die richtige Richtung", heißt es denn auch von den Initiatoren.

Die Realschullehrer sehen das völlig anders. Viele wollen die angeblich leistungsschwachen Hauptschüler nicht an ihren Schulen haben. Die Eltern erwarteten, "dass die Qualität bleibt", sagt die Landesvorsitzende des Realschullehrerverbands, Rita Haller, Schulleiterin in Besigheim. "Wir wollen nicht, dass wir in fünf Jahren die nächste Restschule sind", sagt Haller.

Solche Abwehrreaktionen gibt es auch in anderen Bundesländern. In Schleswig-Holstein, wo bis 2010 die Haupt- und Realschulen komplett zu "Regionalschulen" zusammengelegt werden, startete der Realschullehrerverband im Dezember eine Volksinitiative zur Rettung der Realschule. Ende 2006 gingen 5.000 Realschüler aus Protest gegen die Fusion auf die Straße.

Nach dem Norden wehrt sich die Realschullobby nun also auch im Südwesten - eine Reaktion, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Baden-Württemberg scharf kritisiert. "Da wird in jedem Hauptschüler schnell ein asozialer, gewaltbereiter, bildungsunwilliger oder völlig demotivierter Halbstarker gesehen, den man auf Abstand halten will", heißt es in einer Pressemitteilung. Damit tue man ihnen "bitter Unrecht".

Realschullehrerin Sabine Unger will von solchen Vorwürfen nichts wissen. "Mir geht es auch um die Hauptschüler", sagt sie. Die brauchten nun mal eine intensive Förderung. Und die könne die Realschulen ihnen nicht bieten, schon heute seien die Klassen dort zu groß. Wenn schon Zusammenlegung, dann nicht ohne die Gymnasiasten, findet Unger: "Man könnte doch alle bis zur sechsten Klasse zusammen lernen lassen und dann differenzieren."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.