: Die Zukunft als schönes Etikett
BERLIN taz ■ Um nicht nur als Koalition des Sparens und Kürzens dazustehen, wollen Union und SPD ein positives Zeichen setzen. Der designierte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Fraktionsvize Ludwig Stiegler (beide SPD) nannten gestern eine Größenordnung von 25 Milliarden Euro in vier Jahren, die als „Summe für Impulse“ einen „Schub“ in der Wirtschaft auslösen solle – also gut 6 Milliarden pro Jahr.
Ein Investitionsprogramm schwebt den Verhandlern nicht vor, eher eine vorzeigbare Zusammenstellung verschiedener Maßnahmen unter schönem Etikett. Die Inhalte des Pakets waren gestern nicht vollständig klar. Nur wenig davon sind wohl echte Mehrausgaben für zusätzliche Zukunftsinvestitionen. Dazu gehören 1,5 Milliarden Euro für ökologische Gebäudesanierung, um den Kohlendioxidausstoß von Altbauten zu reduzieren. Auch soll der Staat die allgemeine Modernisierung von Wohnungen steuerlich fördern, indem Handwerkerrechnungen bis maximal 600 jährlich von der Steuer abgesetzt werden können – eine Unterstützung der Nachfrage für den Mittelstand. Gesamtwert: rund 250 Millionen Euro. Mit weiteren 4,3 Milliarden Euro sollen Ausrüstungsinvestitionen in der Wirtschaft gefördert werden. Die Firmen können vorübergehend eine höhere Abschreibung in Anspruch nehmen. In dem Paket steckt auch das neue, einkommensabhängige Elterngeld. Wenn Erwachsene ab 2007 oder 2008 für ein Jahr aus der Beschäftigung aussteigen, um ihre Kinder zu betreuen, sollen sie pro Monat bis zu 1.800 Euro Ausfallgeld erhalten.
Neben der Zusammensetzung des Pakets war gestern Nachmittag auch der Umfang noch in der Schwebe. „Der Zukunftsfonds hat möglicherweise nicht ganz die Größenordnung“ von 25 Milliarden, so Hessens Ministerpräsident Roland Koch. Finanzieren will man den Fonds, indem die Erlöse aus Privatisierungen, Forderungsverkäufen des Bundes und der Veräußerung eines Teils des Bundesbank-Goldes angelegt werden, um die Zinserträge jedes Jahr aufs Neue zu nutzen.
Über die Wirkung einer Anschubfinanzierung von 6 Milliarden Euro pro Jahr gibt es freilich unterschiedliche Meinungen. Um einen nennenswerten Erfolg zur Belebung der Wirtschaft zu erzielen, müssten Bund, Länder und Gemeinden jährlich etwa 25 Milliarden Euro in zusätzliche öffentliche Investitionen stecken, erklärte Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung am Rande einer Veranstaltung. Dieses Geld solle in Forschung, Bildung und Infrastruktur fließen. Um einen expansiven Effekt zu entfalten und das Wirtschaftswachstum dauerhaft zu heben, dürften die Investitionsmittel nicht an anderer Stelle eingespart werden, so Vesper. Der Ökonom empfiehlt daher eine zusätzliche öffentliche Verschuldung.
Für den Haushalt 2006 will die große Koalition diesen Weg wohl auch wählen. 40 Milliarden Euro neuer Kredite im Bundeshaushalt seien eingeplant, hieß es bei den Verhandlungen. Danach aber soll die Schuldenaufnahme sinken – unter anderem, um den Stabilitätspakt von Maastricht wieder einzuhalten.
HANNES KOCH