Fußball: So eine Art Freundschaftskick
Hertha BSC holt beim Tabellennachbarn Bochum einen Punkt. Ein Sieg wäre durchaus drin gewesen, doch im Sturm war das Team viel zu schwach. Spielt die Hertha weiter so erfolglos, könnte sogar der Abstieg wieder Thema werden.
Aus Berliner Sicht wäre es besser, die aktuelle Bundesligasaison würde sofort abgepfiffen. Nach oben geht für den Hertha schon seit Wochen nichts mehr. Statt dessen kommen nach dem 1:1 beim VfL Bochum die Abstiegsränge immer näher. Nach dem sechsten Spiel ohne Sieg in Folge beträgt Vorsprung im ungünstigsten Fall nur noch sechs Punkte. Bei noch sechs ausstehenden Spielen und anhaltender Erfolgslosigkeit könnte es noch einmal eng werden in der Hauptstadt. "Ich bin mit dem Remis daher nicht unzufrieden, auch wenn mehr drin gewesen wäre", lieferte Hertha-Coach Lucien Favre die unentschiedene Analyse zum gleichnamigen Spiel. Drei Niederlagen in Folge haben Spuren hinterlassen.
Die Partie bei den tabellarischen Leidensgenossen aus Bochum war ein Lehrstück dafür, was passieren kann, wenn die Saison im Kopf der Spieler bereits Wochen vor dem tatsächlichen Ende abgehakt ist. Selten hat man in einer einzigen Partie eine derartige Häufung taktischer und technischer Mängel gesehen. Wer es nicht besser wusste, konnte den Eindruck haben, dass er Zeuge eines Freundschaftskicks im Frühstadium der Saisonvorbereitung sei.
"Wir waren die bessere Mannschaft und somit ist das Unentschieden für uns nicht zufriedenstellend", sagte Manndecker Arne Friedrich hinterher. In Wirklichkeit waren die Gäste nur die etwas weniger schlechte Mannschaft. Der Ex-Berliner Oliver Schröder im Bochumer Trikot brachte es besser auf den Punkt: "Wir haben in den ersten Minuten gut angefangen, sind aber nach acht Minuten total aus dem Spiel gekommen, was sich auch bis zur Pause nicht geändert hat. In der zweiten Halbzeit sind wir dann nur sehr schwer wieder in die Partie gekommen" - und bis zum Schlusspfiff sei ihnen dann auch nichts mehr gelungen.
Dass die Hertha das Spiel dennoch nicht gewann, lag an der fehlenden Überzeugung der Offensivkräfte. Die nur auf dem Spielberichtsbogen vorhandene Bochumer Defensive gab sich alle Mühe, den Berlinern den dritten Auswärtssieg der Saison zu ermöglichen. Sie legten den Gästen beste Torchancen in Reihe auf, doch in Abwesenheit von Marko Pantelic war mal wieder kein Herthaner in der Lage, die inflationär ausgegebenen Geschenke anzunehmen.
Ob der derzeit angeschlagene serbische Topscorer überhaupt noch einmal das Hertha-Trikot überzieht, ist offen. Seine angebliche Forderung nach einem mit zehn Millionen Euro dotierten Vertrag, war wohl selbst für die ansonsten nicht gerade für ihren Realitätssinn bekannten Verantwortlichen zu viel. Ein Problem. Pantelic ist der einzige Berliner, der das verkörpert, wovon sie seit einem guten Jahrzehnt träumen: gehobene Bundeligaklasse.
Bislang waren die Bochumer im heimischen Ruhrstadion nur von den Bayern besiegt worden. Die Hertha hatte die Chancen, es den Bayern gleich zu tun. Wenigstens einmal in der laufenden Saison hätten sie auf Augenhöhe mit dem großen Vorbild aus Süddeutschland sein können. Die Vision von der Champions League-Teilnahme in zwei Jahren hätte wieder neue Nahrung bekommen und Manager Dieter Hoeneß hätte vermutlich vor Freude eine Woche lang nicht schlafen können. Leider hatten die Spieler kein Erbarmen mit ihm. Hoeneß benutzte nach Spielende die Vokabel "grausam". Er meinte nicht die Spielweise, sondern das Ergebnis.
In spätestens zehn bis 15 Jahren werde wieder ein Titel an die Spree wandern, gab der Hertha-Macher als Ziel aus. Angesichts des Ist-Zustandes eine realistische Einschätzung. Aktuell geht es wieder darum, eine verlorene Saison einigermaßen unaufgeregt zu Ende zu bringen. Am Dienstag tritt der schwächelnde Hamburger SV im Olympiastadion an. Die Vorfreude dürfte sich auf beiden Seiten in Grenzen halten.
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