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"Junge Freiheit" im Bundestags-PressedienstUnmut in SPD über "Unverschämtheit"

Die "Junge Freiheit" ist im Presseverteiler des Bundestags angekommen. Begründung: "ND" und taz sind auch drin. Mehrere SPD-Abgeordnete protestieren.

Der Bundestagsverwaltung erscheint die Berücksichtigung der "Jungen Freiheit" "geboten". Bild: dpa

Die rechtslastige Wochenzeitung Junge Freiheit ist in den elektronischen Presseverteiler des Deutschen Bundestages aufgenommen worden. Dagegen protestieren sieben Abgeordnete der SPD mit einem Brief, der der taz vorliegt. "Dies stellt eine unnötige Aufwertung dieser dubiosen Zeitung dar", sagt Sebastian Edathy, Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag und einer der Unterzeichner des Briefes. "Warum wird eine Publikation, die bisweilen rechtsradikale Positionen verbreitet, derart ausgezeichnet?"

In dem Protestbrief schreiben die SPD-Abgeordneten, ihnen sei bewusst, dass die Pressedokumentation des Bundestages ein möglichst breites Meinungsspektrum abdecken solle. "Aus unserer Sicht sollte dieser Überblick jedoch nicht publizierte Positionen aus dem rechtsradikalen Spektrum einschließen."

Die Pressedokumentation ist es ein Service der Bundestagsverwaltung für die Abgeordneten. Wöchentlich wird den Parlamentariern eine Zusammenfassung von Zeitungstexten zugemailt. Bei ihrem Protest gegen die Junge Freiheit wissen die Abgeordneten, dass das Bundesverfassungsgericht im Mai 2005 der Klage der Zeitung gegen ihre Erwähnung im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen stattgegeben hat. Das begründeten die Richter damals mit dem Schutz der Presse durch das Grundgesetz. "Das Verfassungsgericht hat die Junge Freiheit aber explizit nicht für unproblematisch erklärt", sagt Edathy. Vielen Rechtsextremismus-Experten gelte die Zeitung als Sprachrohr der so genannten Neuen Rechten.

Das sieht beispielsweise auch David Begrich so. Begrich, der unter anderem für die Friedrich-Ebert-Stiftung Vorträge über die Neue Rechte hält, sagt aber auch, die Schwierigkeiten, mit der Jungen Freiheit umzugehen, resultierten daraus, dass sie kein klassisches Neonazi-Hetzblatt sei. "In dieser Publikation finden sich Positionen des demokratischen Konservatismus ebenso wieder wie jene der extremen Rechten", sagt Begrich. "Die Grenze zwischen beiden Spektren soll auf diese Weise verwischt werden."

Deswegen sei die Aufnahme in die Pressedokumentation ambivalent: "Auf der einen Seite kommt das natürlich der Strategie der Jungen Freiheit stark entgegen, Anerkennung und Legitimation zu erfahren", sagt Begrich. Auf der anderen Seite sei es nicht schlecht, wenn die Bundestagsabgeordneten die Argumentation der Neuen Rechten besser kennenlernten, glaubt Begrich. "Dazu gehört dann aber auch eine stärkere Auseinandersetzung mit dem intellektuellen Rechtsextremismus. Daran hapert es derzeit in Deutschland." Die bisherige Reduktion des Rechtsextremismus auf das Skinhead-Phänomen sei falsch.

Was Edathy und die anderen SPD-Abgeordneten zudem aufbringt, ist der Vergleich der Jungen Freiheit mit linken Zeitungen. So schreibt ein Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung in einem Brief an das Büro des SPD-Abgeordneten Frank Schwabe, es bedürfe "des Hinweises, dass die Pressedokumentation schon seit langem dezidiert das linke politische Spektrum vertretende Zeitungen wie Neues Deutschland oder taz auswertet." Weiter heißt es: "Auch unter dem Gesichtspunkt der Ausgewogenheit des Informationsangebotes für die Abgeordneten erscheint die Berücksichtigung der Jungen Freiheit als dem bekanntesten Blatt des nationalkonservativen oder rechten Lagers geboten." Das sei aber nicht miteinander zu vergleichen, sagt Edathy - "sondern eine Unverschämtheit."

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16 Kommentare

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  • HS
    Heinrich Schönfelder

    Als vor zwei Jahren die Junge Freiheit von der Leipziger Buchmesse ausgeladen wurde, habe ich mir mal zwei Exemplare davon besorgt.

     

    Ich fand die dort vertretenen Ansichten zum Teil zwar etwas merkwürdig bzw. von vorgestern, aber allesamt für in einer freiheitlichen, auf Meinungspluralismus basierenden Gesellschaft für vertretbar.

     

    Wenn profilierungssüchtige Abgeordnete schon gegen so eine Zeitung die Rechtsradikalismuskeule herausholen und damit durchkommen, habe ich Angst um die Meinungsfreiheit in diesem Land.

  • H
    hans

    was mir nicht passt,soll möglichst schnell weg.armes deutschland.

  • HB
    Horst Biedermann

    Herr Edathy äußert sich fast im Wochentakt zur Jungen Freiheit. Wenn man davon ausgeht das er dies sinnvoller Weise nur machen kann, wenn er die Zeitung gelesen hat, dann muss man Herrn Edathy zu den treuesten Lesern der JF zählen. Warum will der feine Herr nun anderen Abgeordneten es erschweren sich selber ein Bild zu machen?

  • PH
    Peter. H.

    Eigentlich ist mit den obigen Kommentaren anderer Leser ja schon alles gesagt. Obwohl ich persönlich den Rechten nicht gerade nahestehe, finde ich, dass man keinen grossen Wind um die Sache machen sollte - das Thema aufzubauschen macht keinen Sinn. So was ist den Rechten nämlich genauso "dienlich" wie eine gewisse Form ritualisierter moralischer Empörung, die ja in den Medien leider immer wieder anzutreffen ist.

    Eine ganz andere Frage wäre hier wohl die Verfassungsmässigkeit der JF an sich. Ihr Verkauf ist aber "zulässig" und sie gehört somit zur "Presselandschaft" - auch, wenn das mir und anderen nicht passen sollte.

  • A
    anke

    Ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht so recht vorstellen, dass die Pressestelle des Bundestages einen erzieherischen Auftrag hat. Sollte denn nicht, wer als Volksvertreter gewählt wird, durchaus in der Lage sein, rechte Parolen als solche zu erkennen? Ich denke, wir brauchen unsere Volks-Vertreter nicht zu schützen vor Indoktrination aller Art. Wir müssen lediglich beobachten, ob sich die Damen und Herren indoktrinieren lassen - und die entsprechenden Konsequenzen ziehen.

     

    Wer mag, kann sich gern bei Wikipedia über die Aufgaben des Bundespresseamtes informieren. Es ist von Nachrichtenlage die Rede da, von der Erforschung und Darstellung der öffentlichen Meinung, von Kommunikation, Gegendarstellung und Erläuterung. Von Seeligsprechung nicht. Nike Wagner, nehme ich an, wäre froh gewesen über eine Pressestelle, die sie über die Themen und Ansagen der JF in Kenntnis gesetzt hätte - vorher.

     

    Nachdem die sogenannte Medienlandschaft nun einmal beschlossen zu haben scheint, dass die JF eine relevante Zeitung ist, muss sie sich wohl oder übel auch auseinandersetzen mit ihr. Auf welcher Grundlage, wenn nicht auf der Basis konkreter Artikel, sollte diese Auseinandersetzung erfolgen? Auf der Basis des Hörensagens vielleicht?

     

    Unsinn ist nicht deswegen Unsinn, weil er in einer (bestimmten) Zeitung steht. Unsinn ist Unsinn, weil er keinen Sinn hat.

  • KN
    Karl Napf

    Die taz initiiert eine Zensur-Debatte - kaum zu glauben - Ihr habt wirklich einen weiten Weg zurückgelegt seit den 80ern, als meine eigene politische Bewusstwerdung von der Lektüre Eures Blattes grundiert war - Ihr seid gut angekommen in der Mitte der unserer Gesellschaft - bei den anderen kleinkarierten, dogmatischen Pharisäern.

     

     

    ***Anmerkung der Redaktion: Als dieses Thema in der Redaktionskonferenz vorgestellt wurde, haben mehrere Redakteure darum gebeten, darauf zu achten, sich in dieser Frage nicht im Sinne der SPD zu positionieren. Darüber waren sich auch alle rasch einig.

    Und das tut der Text auch nicht: Er berichtet sachlich über den Protest der SPD. Abgesehen davon geht es hier nicht um Zensur.

  • KK
    Kater Karlo

    Der Versuch der Jf durch breit gefächerte Interview Partner und intelektuellen Anstrich davon abzulenken das sie ein Rechtsradikales Blatt ist kann nur von Leuten geglaubt werden die entweder selber zum rechten Rand gehören oder ekelhaft naiv und phantasielos sind. Die Jf mit der Ttaz zu vergleichen scheitert allerdings schlicht und einfach daran das der Jf jeglicher Stil fehlt.(Nicht das Naziköppe jemals so etwas wie Stil gehabt haben) Naja keine Macht den Sandsackdeutschen!:)

  • IN
    Ihr Name Bernd Roosenberger

    Scheinbar ist jeder, der rechts von Sahra Wagenknecht steht, für die taz nun ein Nazi!

  • MM
    Matthias Mersch

    Ich habe mir bislang noch keine Gedanken darüber gemacht, dass man die Aufnahme in den Pressespiegel des Bundestages als eine Nobilitierung des betreffenden Blattes deuten könnte. Mir erscheint die Vorstellung abwegig, die Pressestelle würde eine Art Medienprädikat verleihen. Die Würde des Hohen Hauses in allen Ehren, aber vielleicht hat die Empörung mit dem zu tun, was Anna Lührmann im vorzüglichen Interview mit der "taz" über ihre frühen Allüren als Abgeordnete gesagt hat: "Da rannte ich nur den ganzen Tag ab frühmorgens gestresst durch Berlin, machte im Anzug auf wichtig-wichtig."

     

    Ich kann David Begrich nur beipflichten: die bisherige Reduktion des Rechtsextremismus auf das Skindhead-Phänomen ist falsch. Ich meine, die Abgeordneten haben sogar die Pflicht, sich durch eine Übersicht über das breiteste Spektrum der Meinungen über die Stimmungslage "draußen im Lande" zu informieren.

     

    Der Aufklärung ist nie genug, auch und gerade der Volksvertreter in einer Gesellschaft, die von der „Welt“ bis zur „Wahlalternative Wasag“ absichtlich oder fahrlässig nicht zwischen Architektur und Institution unterscheidet, wenn sie „Reichstag“ schreibt, aber „Bundestag“ meint.

  • AD
    Andy Dote

    @ J.B.

     

    Sie meinen, dass es dem Grundgesetz widerspricht, vor (grundgesetzwidrigen) Auswüchsen des Islam zu warnen? Dann verkennen Sie das Grundrecht der Pressefreiheit in seiner Bedeutung als für den demokratischen Rechtsstaat mit konstituierend.

     

    Des Weiteren mögen *Sie* dezidierter Gegner einer Fokussierung auf nationale Positionen und Interessen sein; dies steht Ihnen freilich zu. Dennoch empfinde ich es als etwas schlicht gedacht, entsprechende Sichtweisen nicht nur als inhaltlich abweichend von solchen der taz oder des Nd zu bezeichnen (da haben Sie sicher Recht), sondern ihnen eine eigene Wertigkeit und Vertretbarkeit abzusprechen.

  • M
    Marvi

    Schon erstaunlich, dass diejenigen sich über sowas aufregen, die mit ihrem Sozialabbau (Rot-Grün)solchen Kreisen massiv die Menschen zutreiben,..insbesondere in den nächsten Jahren.

    Was für erbärmliche Heuchler und krankhafte Formalisten.

  • RB
    Rudi Blitzableiter

    die eigentliche Frechheit ist, die taz als linke Zeitung zu bezeichnen ;-)

  • FK
    Friedrich Köhler

    Zitat: "Dazu gehört dann aber auch eine stärkere Auseinandersetzung mit dem intellektuellen Rechtsextremismus. Daran hapert es derzeit in Deutschland." glaubt Herr Begrich.

     

    Ich meine, das ist vollkommen richtig. Eine stärkere Auseinandersetzung mit der intellektuellen (nicht rechtsextremen, sondern etwas sehr christlichen) Jf ist Allen (sofern es nicht irgendwo hapert) anzuraten. Es gibt die Jf an vielen Zeitungsständen oder auch über ein Probeabonnement.

     

    Viel Erfolg und geistige Bereicherung wünscht Ihnnen ein Leser der Jf

    Friedrich Köhler

  • J
    J.B.

    Zu den Inhalten:

     

    Das Problem bei der Jf ist, dass sie zwar gekonnt ihre nationalen Interessen in den Artikeln versucht zu verstecken, aber öffentlich vor dem Islam gewarnt wird. Ich finde, dass das leicht dem Grundgesetz wiederspricht.

     

    Zu rechts und links: Es ist typisch für Cdu und Fdp rechts und links gleichzusetzen, allerdings ist das aus meiner Sicht ohne Grundlage...Allein, dass sich linke Zeitungen für die Rechte aller Menschen auf der ganzen Welt einsetzen und rechte Zeitungen das Nationale vor das Internationale stellen ist ein Zeichen dafür.

  • TM
    Thomas Müller

    Sehr geehrter Herr Schubert,

     

    Für die Anführungszeichen ist nicht die Grammatik zuständig, vielmehr unterliegen sie als Schriftoperatoren den Konventionen der Typografie. Der Grammatik als solcher ist es zunächst einmal wurscht, ob sie direkte Rede und Zitate in Anführungszeichen setzen oder diese mit schweineschwanz-ähnlichem Geringel vom restlichen Text abheben.

     

    Zwar beginnen im Deutschen die Anführungszeichen tatsächlich unten, doch führen solche auf zahlreichen Computern zu Darstellungsproblemen. "Anführungszeichen-oben" hingegen sind weit weniger problembehaftet, entstellen den Sinn der Mitteilung nicht, da der Zitatcharakter der so ausgezeichneten Schrift weiterhin transportiert wird, und bieten sich deshalb als Kompromisslösungg zur allgemeinen Zufriedenheit gut an.

     

    Viele Grüße

    Thomas Müller

  • NS
    Norbert Schubert

    Sehr geehrter Herr Schulz,

    vielen Dank für Ihre Aufklärung. Dies ist sicherlich eine Unverschämtheit.

    Nebenbei bemerkt, die Anführungszeichen setzt man in der deutschen Grammatik unten!

    Liebe Grüße Norbert Schubert