Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
Herr Reinecke stellt in seinem Kommentar fest: "...die halbe Stadtmitte wird abgesperrt. Fast 2.000 Polizisten bewachen die Feier, Gegendemonstrationen sind nur weit entfernt vom Ort des Geschehens erlaubt. Dies ist kein öffentliches, sondern ein nichtöffentliches Gelöbnis." Das finde ich irgendwie lächerlich. Es wird der Eindruck erweckt, als müsste der Staat solche Veranstaltungen vor der eigenen Bevölkerung schützen. Tatsächlich waren bei dem Gelöbnis ein paar Hundert postpubertierende "Demonstranten" vor Ort, in der üblichen Montur (Clownskostüm usw.), um die Veranstaltung u. a. durch den Einsatz von Sirenen zu stören. Mit diesen paar Hundert sympathisieren landesweit sicherlich noch ein paar Zehntausend. Der Rest von den 80 Mio. Bürgern hat kein Problem mit dem Gelöbnis. Fazit: Die Mehrheit muss solche Veranstaltungen vor den Störversuchen einer postpubertierenden Minderheit schützen. Würde der Veranstaltungsort nicht weiträumig abgeriegelt, gäbe es unter den paar Hundert sicherlich einige Vollhonks, die auf das Veranstaltungsgelände dringen würden, um die Veranstaltung durch Provokationen oder Gewalt zu stören. Also wehrt sich die Mehrheit, indem sie durch den Einsatz der Polizei die postpubertierenden Vollhonks daran hindert, ihre aus einem völlig unbegründeten geistigen und moralischen Überlegenheitsgefühl resultierenden Aktionen zur Entfaltung zu bringen. Wenn Herr Reinicke will, dass solche Veranstaltungen wirklich öffentlich werden, dann muss er an die Leute von Gelöbnix usw. appellieren, ihre Störmaßnahmen zu unterlassen. Dann könnte man auf Polizei und Absperrung ohne Weiteres verzichten.
Jung macht auf mich den Eindruck eines provinziellen Konservativen, einer der noch nie über Schuldfragen ernsthaft nachgedacht zu haben scheint und - gefühlt - zu der selben Fraktion gehört, die bereits 1950 "Schwamm drüber" gerufen hat. Er ist mir suspekt, nicht zuletzt, da er zu derselben Fraktion gehört, die noch vor zehn Jahren Wehrmachtsdeserteure (nach BRD- Recht vorbestraft) nicht rehabilitieren wollte. Höchst Suspekt ist auch die gesamte Bundeswehr, die immer noch über 20 Kasernen nach NS-Generälen und mutmaßlichen Kriegsverbrechern benannt hat und Umbenennungen in der Vergangenheit nur zögerlich und wenn, dann nur auf wachsenden Druck von Außen anging. Dies sind für mich Indizien dafür, daß diese Armee, gegründet mit Hitlers Ex-Generälen, keine demokratische Grundhaltung pflegt.
Sehr geehrter Herr Reinecke,
Sie sprechen mir aus dem Herzen - wie es so schön heißt -
dennoch erreicht dieses autoritäre Vorgehen von Jung und
Konsorten einen öffentlichen Ausschluss beim so genannten
Gelöbnis im öffentlichen Raum vor dem Reichstag. Schleichend
zieht so die "Normalität" militärischen Umgangs mit dem
Rechtsstaat ein. Das sollte so nicht hingenommen werden.
Die taz schreibt einen ausführlichen Artikel über den Total-
verweigerer Silvio Walther, 21, der in Bad Reichenhall für seinen Mut ins Gefängnis geht. Warum wird dieser junge Mann nicht augenblicklich zum taz-Panther, zum Helden
des Alltags, ernannt? So viel Mut und Durchhaltevermögen
sollten belohnt und herausgestellt werden.
Solange Bundeswehr-Kasernen nach Nazis benannt sind, ist nichts normal in diesem Land!
Die Debattenkultur hat einen Tiefpunkt erreicht, findet Bayerns Landtagspräsidentin Aigner. Die CSU-Politikerin plädiert für einen anderen Umgang unter Politikern.
Kommentar Bundeswehr-Gelöbnis: Normalität unter Polizeischutz
Die Botschaft des Bundeswehrgelöbnisses: Wir sind wieder normal. Doch in Deutschland gibt es - mit Recht - bis heute ein tiefes Misstrauen gegen martialische Inszenierungen.
500 Bundeswehrsoldaten werden am Sonntag vor dem Reichstag ihr feierliches Gelöbnis ablegen. Dieser Inszenierung wohnt eine dreifache Symbolik inne. Das Datum, der Jahrestag des Attentats auf Hitler, rückt die Bundeswehr in eine antifaschistische Traditionslinie. Der Ort weist das deutsche Militär als Institution der Demokratie aus. Die dritte Botschaft lautet: Die Bundeswehr kann den öffentlichen Raum beanspruchen. Daher findet das Gelöbnis nicht - wie sonst - halböffentlich im Bendlerblock statt, dem Sitz des Verteidigungsministeriums. Sondern an einem zentralen Platz der Republik.
Zusammengefasst lauten diese drei Botschaften: Wir sind wieder normal. Die Bundeswehr sollte endlich auch so selbstverständlich auftreten, wie es das Militär in den Niederlanden, in Italien oder Frankreich tut. Dieses Ziel verfolgt Verteidigungsminister Franz Josef Jung noch zielstrebiger, als es seine Vorgänger taten. Und dies soll auch das gewaltige Ehrenmal zeigen, das derzeit beim Bendlerblock errichtet wird, mit dem die Bundeswehr ihrer Toten gedenken will.
Beim Gelöbnis in Berlin muss diese Normalität aber unter Polizeischutz inszeniert werden, die halbe Stadtmitte wird abgesperrt. Fast 2.000 Polizisten bewachen die Feier, Gegendemonstrationen sind nur weit entfernt vom Ort des Geschehens erlaubt. Dies ist kein öffentliches, sondern ein nichtöffentliches Gelöbnis. Es zeigt einmal mehr, dass jeder Versuch, krampfhaft militärische Normalität zu inszenieren, mit dem Beweis des Gegenteils endet. Kein Wunder, dass kaum ein Politiker Lust hat, dieser Show beizuwohnen.
Aber hat Jung nicht vielleicht Recht? Ist die Bundeswehr nicht inzwischen eine normale Armee, der es auch zusteht, sich normal zu präsentieren? Die Antwort lautet: Nein. Denn in Deutschland gibt es - mit Recht - bis heute ein tief sitzendes Misstrauen gegen militärische Einsätze und martialische Inszenierungen. Selbst bei ihrem Einsatz in Afghanistan hält sich die Bundeswehr zurück. Diese Zurückhaltung und diese gebrochene Tradition gilt es als einen Wert zu begreifen. Eine Normalisierung im Umgang mit dem Militär, von der Jung träumt, ist das falsche Ziel. In Afghanistan und in der öffentlichen Repräsentation der Bundeswehr.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Kommentar von
Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.