Wahlkampf in Österreich: ÖVP-Chef flirtet mit den Grünen

Kann es in Wien demnächst eine schwarz-grüne Zusammenarbeit geben? Was würde aus der Homo-Ehe, wie ginge es bei der Überwachung weiter?

Wer würde beim Thema Homo-Ehe nachgeben? Bild: dpa

Das Wort "Charme" wird am meisten bemüht, wenn es um die Konstellation geht, die nach den vorgezogenen Wahlen vom 28. September die Regierung in Österreich übernehmen könnte. ÖVP-Chef Wilhelm Molterer, der am 7. Juli die Koalition mit der SPÖ platzen ließ, umwirbt jetzt die Grünen und signalisiert "ganz neue Offenheit". Auch Grünen-Frontmann Alexander Van der Bellen (64) will vor der Pensionierung noch mitregieren. Er glaubt, dass es mit den Konservativen nicht schwieriger ist als mit den Sozialdemokraten.

Noch vor wenigen Jahren diffamierte die ÖVP die Grünen als Chaostruppe, die Haschischläden einführen und den Fleischkonsum verbieten wollte. Aber nach der schlechten Erfahrung mit der SPÖ sucht man jetzt neue Partner. Eine Neuauflage der Allianz mit der FPÖ wäre erklärungsbedürftig. Denn Molterer hatte den Koalitionsbruch mit der SPÖ mit deren neuen europakritischen Kurs begründet. Die FPÖ will aber sogar aus der EU austreten. Die Grünen hingegen haben sich zur EU-freundlichsten Partei gemausert.

Präzedenzfälle für Schwarz-Grün gibt es bereits in Oberösterreich und in den Landeshauptstädten Bregenz und Graz. Gottfried Hirz, grüner Fraktionschef im oberösterreichischen Landtag, würde nach vier Jahren Erfahrung eine Neuauflage der Allianz befürworten, ist aber bei Schwarz-Grün im Bund skeptisch: "Wir haben hier eine Streitkultur entwickelt", die gedeihliche Zusammenarbeit ermögliche. Der grüne Umweltlandesrat Rudi Anschober habe in seinem Bereich eine Menge durchgesetzt, weil er auch für Energie zuständig ist, die früher im ÖVP-kontrollierten Wirtschaftsressort angesiedelt war. So konnte Oberösterreich eine Vorreiterrolle beim Ökostrom einnehmen.

Weniger erfolgreich sei man in Asylfragen oder in der Bildungspolitik gegen das Mauern der ÖVP gewesen, bedauert Hirz. Auch in Graz, Österreichs zweitgrößter Stadt, ist die Bilanz nach einem halben Jahr gemischt. Die grüne Vizebürgermeisterin Lisa Rücker konnte zwar im Regierungsprogramm klare Duftnoten setzen, die Umsetzung ist aber bisher bescheiden.

Gerlinde Pölsler von der Stadtzeitung Falter sieht, dass die Grünen in vielen Bereichen einfach vom großen Partner überfahren werden, weil ihnen Fachleute und Expertise fehlen. Gerfried Sperl von der Tageszeitung Der Standard outete sich jüngst als alter Fan von Schwarz-Grün, doch rät er für die nächste Regierungsbildung ab: "Nicht so sehr deshalb, weil es einige fast unüberbrückbare Differenzen gibt. Beispiele: Überwachung, Homo-Ehe. Haupthindernis ist der fehlende der Wille auf Seiten der ÖVP, dem Partner einen Erfolg zuzugestehen".

Der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hatte schon nach den Wahlen 2002 eine Koalition mit den Grünen durch Errichten zu hoher Hürden verhindert. Die FPÖ gab es billiger. Auf die jüngsten Avancen regieren daher auch jene, die sich eine Koalition mit der ÖVP vorstellen können, sehr zurückhaltend. Vizeparteichefin Eva Glawischnig fordert "wesentliche Kursänderungen" der ÖVP beim Bleiberecht, bei der Energiepolitik und der Entlastung für kleine und mittlere Einkommen.

Das sieht man in der ÖVP ganz anders. Christopher Drexler, liberales Aushängeschild der Konservativen in der Steiermark, bringt die Größenunterschiede ins Spiel: "Die größere Beweglichkeit ist vom kleineren Partner gefordert". Grünes Hauptziel ist es, zu verhindern, dass FPÖ-Chef Heinz Christian Strache Vizekanzler wird. Mit seinen radikalen Sprüchen gegen Ausländer und EU profitierte er am meisten von der Krise der großen Parteien. Daher könnten die Grünen aus Sorge vor einem Rechtsruck zu schmerzhaften Konzessionen gezwungen werden.

Erstmal müssten sie aber stärker werden als 2006 mit elf Prozent. Zwar legten sie in Umfragen bereits zu, aber die beiden Großparteien schwächeln. Der EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber will sich daher alle Diskussionen sparen: "30 plus 15 ergibt keine 52 Prozent". Eine grüne Regierungsbeteiligung ist derzeit nur als Dreierkombination vorstellbar. Als Dritter wäre einzig der Tiroler ÖVP-Rebell Fritz Dinkhauser vorstellbar, der eine bundesweite Kandidatur erwägt.

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