Neue Kämpfe im Gazastreifen: Nationaler Dialog gescheitert

Die bewaffneten Auseinandersetzungen unter den Palästinensern flammen wieder auf. Hamas-Mitglieder verhaften mehr als 150 Aktivisten der Fatah.

Am Wochenende waren sechs Menschen von einer Autobombe getötet worden: Hamas-Anhänger beobachten die Beerdigungsfeier. Bild: dpa

JERUSALEM taz Die Hamas rückt erneut mit harter Hand gegen ihre Widersacher im Gazastreifen vor. Bei einem Feuergefecht zwischen Sicherheitsleuten der Hamas und radikalen Muslimen gab es am Sonntag einen Toten und mehrere Verletzte. Zwei Anhänger der extremistischen "Armee des Islam", die auch für die Entführung des seit zwei Jahren vermissten israelischen Soldaten Gilad Schalit mitverantwortlich ist, konnten festgenommen werden.

Schon am Vortag landeten über 160 Aktivisten der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zum Teil vorübergehend hinter Gittern, nachdem am Wochenende sechs Menschen, darunter ein kleines Mädchen, bei der Explosion einer Autobombe getötet worden waren. Die Hamas machte den "Revolutions-Strom" für die Explosion verantwortlich, eine Gruppe von Anhängern Mohammed Dahlans (Fatah). Der ehemalige Chef des Palästinensischen Präventiven Nachrichtendienstes im Gazastreifen gilt als enger Verbündeter von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und scharfer Gegner der Hamas. Die Fatah stritt jede Verbindung zu der tödlichen Bombe ab.

Nach der Machtergreifung der Hamas im Gazastreifen vor einem Jahr waren die Kämpfe zwischen den beiden verfeindeten Bewegungen größtenteils abgeflaut. Ein massives Sicherheitsaufgebot der Islamisten unterdrückte jeden Ansatz des Widerstandes mit brutaler Gewalt. Die Mitglieder der früher von der Fatah kontrollierten Sicherheitskräfte durften nicht länger im Besitz einer Waffe sein.

Die Fatah führt ihren Machtkampf deshalb dort, wo sie die Macht hat. Sie nahm im Westjordanland mindestens 15 Islamisten fest. Die Führung der Fatah im Westjordanland stellte der Hamas ein Ultimatum und drohte mit Maßnahmen gegen zentrale islamistische Aktivisten, sollten die Massenverhaftungen, Razzien und Schließungen von Fatah-nahen Institutionen im Gazastreifen nicht umgehend aufhören.

Khalil al-Hayeh, einer der führenden Hamas-Aktivisten in Gaza, der selbst einen Neffen bei dem Bombenanschlag verlor, ließ sich davon wenig beeindrucken: "Sie (die Verhafteten) werden nicht nach sechs Monaten freigelassen werden, sondern an den Galgen gehängt oder erschossen."

Freitagfrüh hatte es in Gaza einen Toten und mehrere Verletzte gegeben, als in unmittelbarer Nähe eines Straßencafés eine Bombe explodierte. Das Café war in diesem Jahr bereits zweimal von radikalen Muslimen angegriffen worden, die Internetshops und Musikläden den Kampf ansagten. Die "Armee des Islam" ist nur eine der ultraradikalen Bewegungen, zu deren erklärten Zielen auch Ausländer, Christen und unverschleierte Frauen gehören.

Die zweite Explosion, bei der niemand zu Schaden kam, ereignete sich wenige Stunden später vor dem Haus eines früheren Hamas-Abgeordneten. Ein Aktivist der Fatah wurde festgenommen. Die dritte Bombe, die fünf Menschen in den Tod riss, explodierte am Abend in unmittelbarer Nähe des Khalil-Cafés, einem bekannten Treffpunkt für Hamas-Anhänger. Die Bombe war offenbar unter dem Auto eines der Gäste versteckt worden. Expremierminister Ismael Hanijeh nannte die Attentate ein "schreckliches Verbrechen" und kündigte harte Maßnahmen an.

Mahmud Abbas, der gestern zu Gesprächen mit dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak in Kairo zusammentraf, hofft auf eine neue Vermittlungsinitiative der Ägypter. Der Palästinenserpräsident beharrt indes darauf, dass die Hamas die Kontrolle über den Gazastreifen aufgibt, bevor Verhandlungen aufgenommen werden könnten. Anfang Juni hatte Abbas die Extremisten überraschend zum "nationalen Dialog" aufgerufen, um den Konflikt beizulegen, "der unserem Volk und unserer Sache schadet". Kurz zuvor hatte die jemenitische Regierung beide Seiten zur Wiederaufnahme der Kontakte aufgerufen.

Die Ägypter hatten sich erst im vergangenen Monat als erfolgreiche Vermittler bewiesen, als sich mit ihrer Hilfe Israel und die Hamas auf einen Waffenstillstand einigten. Die Feuerpause ist zwar brüchig, hält aber im Großen und Ganzen schon einen Monat.

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