piwik no script img

Verhältnis China und Taiwan"Zu Hause bei uns"

Chinas Umgang mit Taiwan: Das chinesische Publikum jubelt für Taiwans Sportler, taiwanische Fans tun sich schwer, ihr Team politisch korrekt als "Chinesisch Taipeh" anzufeuern.

Taiwanische Baseball-Spieler leiden mit ihrer Mannschaft. Ob sie "Chinesisch Taipeh" rufen, wie das IOC es ihnen vorschreibt? Bild: rtr

Im Wukesong-Stadion im Westen Pekings herrscht beste Stimmung. "Taiwan voran!," rufen die Zuschauer dem Baseball-Team in blauen Trikots und weißen Hosen zu, das sich wacker gegen die deutlich stärkeren Amerikaner verteidigt. Hunderte Baseball-Fans aus Taiwan sitzen vor dem mit Flutlicht beschienenen Feld. Daneben: amerikanische Schlachtenbummler und heimische Applaus-Freiwillige.

"Taiwan voran!" zu rufen ist politisch allerdings nicht ganz korrekt: Nach den IOC-Vorschriften dürfen die Sportler der Insel nicht den Namen "Taiwan" erwähnen, sondern müssen unter dem Namen "Chinesisch Taipeh" antreten. Dahinter verbirgt sich ein mühsam erzielter politischer Kompromiss zwischen der Regierung in Taipeh und den Führern der Volksrepublik China, die Taiwan nicht als eigenständigen Staat anerkennen.

Doch an diesem Abend ist von Spannungen zwischen Volksrepublikanern und Insulanern nichts zu spüren - im Gegenteil. "Wo immer unsere Sportler auftreten, werden sie von den Pekingern warm begrüßt und gefeiert", berichtet der taiwanische Sportjournalist Zhang Jianren.

Rund 400 Fans verschiedener Baseball-Clubs aus Taiwan sind nach Peking gekommen. "Wir haben hier überhaupt keine Probleme, wir sprechen ja dieselbe Sprache und haben mit Politik nichts am Hut", sagt einer. Die Freiwilligen, die an diesem Abend die leeren Plätze auffüllen, halten mit ihren Plastikhänden und Luftballon-Klöppeln eindeutig zu ihren Landsleuten. Sie rufen aber nicht "Taiwan voran", sondern politisch korrekt: "Chinesisch-Taipeh-Team voran!"

Die taiwanischen Fans achten ebenfalls die Regeln. Sie wedeln nicht mit blau-roten taiwanischen Flaggen, sondern mit extra für Olympia erfundenen Fahnen mit symbolisierter Blüte und Olympiaringen. In China Taiwans Staatsflagge zu zeigen oder Hymne zu singen gilt als Separatismus und ist verboten.

Baseball ist eine von 15 Disziplinen, in denen die 80 Olympioniken der 23-Millionen-Einwohner-Insel antreten. Sehr erfolgreich waren sie bisher nicht: Bis gestern Mittag hatten die beiden Gewichtsheberinnen Cheng Weiling und Lu Yingqi zweimal Bronze gewonnen - die bislang einzigen Medaillen für die Insel.

Jahrelang hatte der Streit zwischen Peking und Taipeh verhindert, dass Nationalteams der Volksrepublik und der Insel nebeneinander bei Olympischen Spielen antreten konnten, weil beide Regierungen behaupteten, das einzig richtige China zu vertreten.

Während sich die taiwanischen Athleten in Peking - wie ihre Kollegen aus der ganzen Welt - vor allem sportliche Anerkennung und viele Medaillen erhoffen, nutzten Politiker beider Seiten das große Spektakel in den vergangenen Tagen, um sich näher zu kommen: Beim Baseball-Match Taiwans gegen die Niederlande saßen nicht nur der Vorsitzende der regierenden taiwanischen Nationalpartei KMT, Wu Po-hsiung, und der Chef der prochinesischen "People First Party", James Soong, auf der Tribüne, sondern auch einer der mächtigsten Politiker der VR China, Jia Qinglin. Er ist im Ständigen Ausschuss des Politbüros für die Taiwan-Politik zuständig.

"Wir gehören zur selben Familie", schrieben Chinas Zeitungen. "Sie sind bei uns zu Hause." Auf dem Baseball-Feld war von Politik nichts zu spüren. Wäre es nach den Anfeuerungsrufen von den Tribünen gegangen, hätte Taiwans Team sicher gewonnen. Doch die Amerikaner siegten mit 4:2. JUTTA LIETSCH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!