Olympische Premiere von BMX: Verwegen über Lehmbuckel

Bicycle Motocross, kurz BMX, hat seine olympische Premiere gefeiert. Wilde Ritte von tollkühnen Athleten sollen die Spiele künftig trendiger und auch für jüngere Zuschauer interessant machen.

Fliegend ins Ziel. Bild: dpa

Michael Redman macht seinen Job. "Hey, pump it up", ruft er ins Mikrofon, "hey, hey." Redman ist professioneller Einheizer. Er ist "The Voice". In den Staaten kennt man den tätowierten 160-Kilo-Mann. Redman ist Spezialist für Motocross-Events und BMX-Rennen. Es ist sein erster Auftrag in China. Er schickt eine neue Salve der guten Laune ins Publikum: "Pump it up!" Die Tribünen sind zum Finale des Rennens nur halbvoll, Chinesen sieht man so gut wie gar nicht. Es sind Amerikaner, Australier, Holländer und auch ein paar Deutsche, die sich der gnadenlosen Hitze im Laoshan-Park aussetzen. Redman schwitzt stark, mit einem kleinen Handtuch wischt er den Schweiß von der Stirn. Dann versucht er wieder, Stimmung zu machen.

Es ist anscheinend sehr anstrengend, ein BMX-Rennen in China auf Touren zu bringen. "Der Sport ist so neu für die Chinesen, die müssen erst damit umgehen lernen", sagt er. Eine chinesische Radlerin ist dabei, aber sie fährt im Halbfinale den Topfahrerinnen aus Frankreich nur hinterher. "Sie hatten zu wenig Zeit, BMX zu kopieren, aber bald werden sie so weit sein", glaubt er und greift zum Handtuch. Bei den Olympischen Spielen, die von der Szene der BMX-Rennfahrer zum ersten Mal besucht werden, hat es für China noch nicht zu einer Medaille gereicht, dafür ist der Sport zu stark geprägt vom westlichen Lebensstil. "Er ist ja auch erst bei uns 40 Jahre alt", sagt Redman. BMX kam in den späten 60ern auf, als Kids auf dem legendären "Sting-Ray" um die Wette strampelten. Bicycle Motocross wurde in den 80ern populärer. Das lag sicherlich auch an einem Steven-Spielberg-Streifen. In "E. T." gab es einen Burschen namens Elliott, der mit so einem Cross-Gefährt herumkurvte.

Die Strecke in Peking hält Michael Redman für "wahnsinnig anspruchsvoll. 99 Prozent der normalen Fahrer würden hier nicht durchkommen", sagt er, "sogar die guten Amateure hätten Probleme". Vor allem der 11-Meter-Sprung sei "völlig krank". Aber auch die erste Kurve, die sich nach ein paar Hopsern über die Hügelstrecke auftut, hat es in sich. "Hier crashen die Fahrer regelmäßig", weiß Redman. Hier kugelten sie sich die Schultern aus oder verstauchten sich die Handgelenke, all die menschlichen Stoßdämpfer, die mit ihren 20-Zoll-Rädchen einen verwegenen Ritt über Lehmbuckel hinlegen. Im Halbfinale krachte es besonders häufig. Die Dramen spielten sich zumeist in Kurve eins ab, im Crash-Kreisel.

Die Fahrer purzelten nur so von ihren Liliput-Rädern. Die Favoriten aber kamen ungeschoren davon. Bei den Frauen siegte die Französin Anne-Carolin Chausson, bei den Männern der lettische Weltmeister Maris Strombergs. Sie haben alles gegeben, um Olympia einen Anstrich des Hippen und Freakigen zu geben. Zwar gelten die Crossfahrer in der BMX-Szene - in der Freestyle-Spezialisten die größeren Stars sind - als eher piefig, aber für die olympische Familie reichts allemal. Es galt, ein jüngeres Publikum anzulocken, denn zuletzt waren 54 Prozent der Fernsehzuschauer über 45 Jahre alt. Die stärkste Altersgruppe war mit 21 Prozent die der über 65-Jährigen. Das hat den Olympiasponsoren gar nicht gefallen. Olympia musste trendiger werden.

Deswegen gibt auch Redman sein Bestes. "Die Wettbewerbe waren großartig, die Fahrer haben bewiesen, dass sie hierher gehören", sagt er voller Enthusiasmus. "Die Typen sind echte Athleten. Neulich war BMX noch eine Sache von ein paar Kids, jetzt sind wir bei Olympia, hey, das ist doch großartig." Redman ist vor sehr langer Zeit auch einmal auf einem BMX-Rad unterwegs gewesen. Eigentlich hat er eine Motocross-Maschine haben wollen, doch seine Mutter konnte die nicht bezahlen.

Auch Baseball war eine Option für ihn, erzählt er. An seiner Highschool in Auburn bei Sacramento habe ihn der Baseball-Coach seinerzeit gefragt, warum er nicht zum Training gekommen sei. Redman: "Ich habe ihm gesagt, dass ich mich auf BMX konzentrieren will." Aber das sei doch kein Sport, habe der Trainer geantwortet. "Kein Sport? Heute ist BMX olympisch." Und Baseball künftig nicht mehr. Michael Redman lacht. Dann muss er wieder für seine olympischen Auftraggeber arbeiten: "Hey, pump it up!"

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.