Kommentar Kaukasus: Flohzirkus unter Kontrolle

Die Balten und Polen schimpfen zwar, dass die EU Russland zu billig davonkommen lässt. Doch auch sie wissen ganz genau, dass eine diplomatische Lösung in ihrem eigenen Interesse ist.

Wenn man bedenkt, wie unversöhnlich die Gegensätze zunächst schienen, zeigte sich die EU beim Sondergipfel zum Kaukasuskonflikt erstaunlich einig. Ratspräsident Sarkozy hatte ja nicht nur 27 Ländermeinungen unter einen Hut zu bringen und den grundlegenden Riss zwischen "altem" und "neuem" Europa zu überbrücken. Er musste zusätzlich entgegengesetzte politische Strömungen innerhalb der Delegationen austarieren.

Während Polens Präsident Kaczynski für eine härtere Haltung gegenüber Russland eintritt, will sein Premier Tusk mit Moskau im Gespräch bleiben. In der tschechischen Delegation sieht Präsident Václav Klaus die Hauptschuld bei den Georgiern, sein Premier Topolánek macht die Russen für den Schlamassel am Kaukasus verantwortlich.

Die Schlusserklärung bringt das Kunststück fertig, die Tür Richtung Moskau offen zu halten und doch Klartext zu sprechen. Vor allem der letzte Satz des vierseitigen Kommuniqués hat es in sich: Solange sich die russischen Truppen nicht auf die Positionen zurückziehen, die sie vor dem 7. August innehatten, werden alle Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Russland ausgesetzt.

Schon kommenden Montag wird der französische Präsident gemeinsam mit Kommissionspräsident Barroso nach Tiflis und Moskau reisen, um bei der Frage des Truppenabzugs voranzukommen. Dieser Termin steht ebenfalls in der Schlusserklärung, was bedeutet, dass er im Vorfeld mit Moskau abgesprochen war. Denn die EU hätte nicht die Blamage riskieren können, ihre Chefs mit einer solch heiklen Mission zu beauftragen und in Moskau mit Gesprächspartnern der zweiten oder dritten Garnitur abgespeist zu werden.

Die Balten und Polen schimpfen zwar, dass die EU Russland zu billig davonkommen lässt. Doch auch sie wissen ganz genau, dass eine diplomatische Lösung in ihrem eigenen Interesse ist. Denn sie brauchen russisches Öl und Gas genauso wie die anderen EU-Mitglieder. Und sie sitzen am nächsten dran, wenn das Pulverfass Kaukasus in die Luft fliegt. DANIELA WEINGÄRTNER

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