: „Negative Entwicklung“
Ausstellung Der Verein Terre des Femmes thematisiert Genitalverstümmelung bei Frauen
■ 43, Mitglied von Terre des Femmes, organisierte mit der Städtegruppe Bremen die Ausstellung in der Stadtbibliothek.
taz: Frau Schulte, heute ist der internationale Tag „Null Toleranz gegen Genitalverstümmelung“. Wird das Risiko von in Deutschland betroffenen Frauen und Mädchen unterschätzt?
Ankica Schulte: Nach Schätzungen leben in Deutschland über 20.000 betroffene Frauen und mehr als 6.000 Mädchen, die gefährdet sind, hierzulande oder in den Ferien im Herkunftsland der Eltern genitalverstümmelt zu werden. Insofern ist es auch ein Problem unserer Gesellschaft. Weibliche Genitalverstümmelung ist ein Tabuthema und daher ist es schwierig, genaue Zahlen zu bekommen. In Bremen fehlt bisher ein Überblick und man weiß nur von Einzelfällen. Es ist seit langer Zeit bekannt, dass Genitalverstümmelung ein Problem vieler Frauen in afrikanischen Ländern ist. Schamlippenkorrektur ist ein neuer Trend in Schönheitskliniken. Was halten Sie davon?
Wir werten das zwar als individuelle Freiheit, allerdings ist das natürlich schon eine negative Entwicklung, dass Genitalien einem Schönheitsideal entsprechen müssen. Den Frauen wird das Gefühl gegeben, dass ihr Körper so nicht in Ordnung ist. Da entsteht schon ein gesellschaftlicher Druck und Frauen fangen an, ihren Körper so nicht mehr zu akzeptieren.
In den letzten Monaten gab es große Debatten zum Thema Beschneidung bei Männern. Zählt das für Sie auch als Genitalverstümmelung?
Da wird ein Teil vom Körper abgeschnitten und das wäre medizinisch nicht nötig. Wenn sich ein junger Mann entschließt, diesen Eingriff machen zu lassen, dann ist das seine Entscheidung. Aber ein Säugling hat keine Wahl. Alle Kinder haben einen Anspruch auf körperliche Unversehrtheit. Ich verstehe die Rücksicht auf Religionsfreiheit, allerdings sollte auch auf die Rechte der Kinder geachtet werden. Ich hätte mir gewünscht, dass über das neue Gesetz länger diskutiert worden wäre.
Interview: Kim Neubauer
05. bis 15. Februar, Stadtbibliothek