Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
Wo bitte sind denn da Hinweise auf einen Putschversuch? Es geht in jeder Beziehung vor allem darum, die (ebenfalls mit gewaltigen Mehrheiten in "Volksentscheiden" beschlossenen) Autonomien der betroffenen Regionen zu vollziehen. Und so weit sich das aus den Medien und den Berichten der amtlichen Nachrichtenagentur entnehmen lässt, besteht die einzige in Richtung auf die Regierungsverhältnisse Gesamtboliviens gerichtete Geste bisher in dem Versuch, den Volksentscheid über den von der Regierung buschstäblich durchgeprügelten Verfassungsentwurf zu unterbinden. Selbsverständlich heißt das in Morales' Diktion "Putsch", aber er hat auch die Verstaatlichung der Erdgasindustrie damit begründet, dass die (bekanntlich seit geraumer Zeit abgewickelte) Enron von dieser aus gegen ihn konspirierte.
Es ist schlimm genug, dass die Autonomiebewegungen mit Gewalt und rassistischen Tönen zu Werke treten. Aber man sollte vielleicht dann doch die Kirche im Dorf lassen und die Dinge für das nehmen, was sie sind, mit weniger Kriesgsgeschrei und mehr Bereitschaft, sich in die Details zu vertiefen.
Der SPD-Ministerpräsident Brandenburgs will schärfer gegen illegale Migration vorgehen, um die AfD zu schlagen.
Kommentar Bolivien: Allende in den Anden?
Eine Allianz zwischen den reaktionärsten Teilen der Oberschicht und einer ebenso reaktionären US-Regierung bemüht sich nach Kräften, eine gewählte Linksregierung aus dem Weg zu räumen.
Ja, es ist ein Putschversuch. Genau 35 Jahre nach dem blutigen Staatsstreich gegen den Sozialisten Salvador Allende in Chile gibt es ähnlich Beunruhigendes aus Bolivien zu vermelden. Eine Allianz zwischen den reaktionärsten Teilen der Oberschicht und einer ebenso reaktionären US-Regierung bemüht sich nach Kräften, eine gewählte Linksregierung aus dem Weg zu räumen. Insofern ist die Ausweisung des US-Botschafters, die der Indígena-Präsident Evo Morales vorgestern angeordnet hat, durchaus angemessen.
Auch die Bilder aus Bolivien gleichen jenen aus Chile vor dem 11. September 1973: Die Straßenblockaden weißer Jugendlicher im Südosten des Landes erinnern an den monatelangen Streik der chilenischen Landwagenfahrer, der dem Putsch gegen die Allende-Regierung vorausging. Die paramilitärischen Schlägerbanden aus Santa Cruz, die auf offener Staße indigene Landsleute attackieren, eifern der Faschistengruppe "Vaterland und Freiheit" nach, die in den letzten Monaten der Allende-Regierung mit Sabotageakten Chaos verbreitete.
Noch eine Parallele: Bei den Parlamentswahlen 1973 hatte Allendes linke Parteienallianz "Unidad Popular" ihr Ergebnis von 1970 um acht Prozent steigern können. Evo Morales wiederum wurde 2005 mit 54 Prozent gewählt, beim Referendum vor einem Monat kam er - bei hoher Wahlbeteiligung - auf 67,4 Prozent. Diese Ergebnisse scheinen den Hang zur Gewalt bei der tonangebenden Rechten erst richtig beflügelt zu haben.
Obwohl sich Morales bemüht hat, die Schlüsselpositionen der Streitkräfte mit loyalen Generälen zu besetzen, ist die Haltung des bolivianischen Militärs unklar. Auch der Rückhalt, den der Präsident von seinen Kollegen in den Nachbarländern erhalten hat, bewegte sich bislang vorwiegend auf einer rhetorischen Ebene. Bleibt zu hoffen, dass die Gewaltgelüste der Autonomisten endlich auch in Brasília und Buenos Aires die Alarmglocken schrillen lassen. In Bolivien wird sich zeigen, wie viel die vollmundigen Bekenntnisse zum Schulterschluss Südamerikas unter sozialem Vorzeichen wirklich wert sind. GERHARD DILGER
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Kommentar von
Gerhard Dilger
Autor*in