Finanzkrise gefährdet auch deutsche Banken: Kettenreaktion erwartet

Auch in Deutschland rutschen die Aktienkurse ab. Zentralbanken stellen Geld zur Verfügung, weil die Banken jetzt knausern.

Jetzt schnell weg! Bild: dpa

So kann man sich täuschen: Erst knapp eine Woche ist es her, dass der Chef der Deutschen Bank prognostizierte, die Finanzkrise sei unter Kontrolle. "Wir sehen eine Stabilisierung", hatte Josef Ackermann optimistisch verkündet. "Wir sehen den Beginn des Endes, das bestätigt sich immer mehr."

Einen Konkurs von Lehmann Brothers hielt er für unwahrscheinlich: Man werde "Lösungen" finden. Stattdessen musste die viertgrößte Investmentbank der USA vier Tage später Konkurs anmelden.

Die deutschen Anleger reagierten prompt auf die schlechte Nachricht von der Wall Street: Der deutsche Aktienindex DAX fiel am Montag um 2,7 Prozent auf 6.064 Zähler. Zwischenzeitlich rutschte er mit 5.942 Punkten auf ein Zweijahrestief. Experten vermuten, dass der DAX diese Marke am Dienstag nach den Verlusten in Asien und USA (siehe Kasten) vielleicht doch noch unterschreitet.

In Japan und an den anderen Börsen in Asien und im Pazifikraum gaben die Börsen weiter nach. In Tokio fiel der 225 führende Werte umfassende Nikkei gleich zum Handelsauftakt erstmals seit März unter die psychologisch wichtige Marke von 12.000 Punkten. Der Leitindex brach zeitweise um mehr als 5 Prozent ein. Am Montag war die Börse wegen eines Feiertags geschlossen.

Nach der US-Bankenpleite hatten die Finanzmärkte in den USA einen "schwarzen Montag" erlebt. Der US-Leitindex Dow Jones erlitt zum Börsenschluss am Montagabend (Ortszeit) in New York den stärksten Einbruch seit der Wiederaufnahme des Handels nach den Terrorattacken vom 11. September 2001. Angesichts der Hiobsbotschaften durch die Insolvenz von Lehman Brothers und die Übernahme von Merrill Lynch durch die Bank of America verlor der Dow Jones 4,4 Prozent auf knapp 10.918 Punkte.

Doch immerhin hielt am ersten Tag nach der schlechten Nachricht die psychologisch wichtige Marke von 6.000 Punkten. Panik sieht anders aus.

Besonders hart traf es - wenig überraschend - die Finanztitel. Die Commerzbank gab um über 12 Prozent nach. Die Deutsche Bank fiel um mehr als 9 Prozent, die Allianz um knapp 8 Prozent.

Dennoch können Analysten auch Positives für den deutschen Markt entdecken: Die Verluste beim DAX seien zwar deutlich, aber bisher überschaubar. "In Deutschland werden eben vor allem deutsche Aktien gehandelt", erklärt Lothar Gries von der Schutzvereinigung der Kapitalanleger. Und an Lehman Brothers seien kaum deutsche Anleger beteiligt.

Dennoch dürfte die neue Runde der US-Bankenkrise auch in Deutschland Spuren hinterlassen. Mittelfristig sei eine "Kettenreaktion" zu befürchten, so Gries. Durch die Milliardenabschreibungen bei Lehman Brothers könnten neue Abschreibungen auch bei anderen Instituten fällig werden - und irgendwann kommt dieses Schneeballsystem dann auch in Deutschland an. "Die Verlierer sind die Privatanleger," so die Prognose. Auch die Renditen der Lebensversicherungen würden nun wieder sinken.

Ähnlich sieht es Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). "Die Finanzkrise verläuft in Wellen. Der Kapitalmarkt ist ein globaler Markt. Unter einer Krise werden auch die europäischen Banken leiden."

Die europäische Zentralbank (EZB) hat bereits reagiert: Am Montag stellte sie für einen Tag 30 Milliarden Euro frisches Geld zur Verfügung. Die Bank of England steuerte weitere 5 Milliarden Pfund bei. Denn bei jeder Verunsicherung neigen die Banken dazu, sich gegenseitig kein Geld mehr zu leihen. Diese Liquiditätslücke mussten dann die Zentralbanken kurzfristig schließen.

Auch die deutschen Firmen spüren, dass es schwieriger wird, Kredite zu erhalten. Gestern veröffentlichte das ifo-Institut eine Umfrage unter 4.000 deutschen Unternehmen. Tenor in Ost und West: Die Banken sind sehr wählerisch bei ihren Kreditnehmern. Darin zeigt sich, dass die US-Finanzkrise längst auf die Realwirtschaft durchgeschlagen hat: Die Banken reagieren auf den Abschwung. Bei nachlassender Konjunktur prüfen sie sehr viel genauer, ob ein Kredit zurückgezahlt werden kann.

Deutschland dürfte sich inzwischen in einer "technischen" Rezession befinden - was nichts anderes bedeutet, als dass die Wirtschaft in zwei Quartalen hintereinander geschrumpft ist. War von April bis Juni ein Minus von 0,5 Prozent zu verzeichnen, so rechnet die EU für Juli bis September mit einem weiteren Minus von 0,2 Prozent. Die Krise rund um Lehman Brothers signalisiert nun: Die Folgen der Finanzkrise dürften noch lange anhalten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.