: Unerwünschte US-Moral
Warenhauskette Wal-Mart verbietet ihren Mitarbeitern sogar „lüsterne Blicke“– hierzulande grundgesetzwidrig
Im Streit um die Ethikrichtlinie für Mitarbeiter unterlag die amerikanische Supermarktkette Wal-Mart gestern in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf.
Bereits in der ersten Instanz hatte das Arbeitsgericht in Wuppertal dem Betriebsrat Recht gegeben. Der kämpft gegen die Vorschriften, die Wal-Mart im Februar an seine 12.000 Mitarbeiter in Deutschland verschickte. Danach sind unter anderem Liebesbeziehungen zwischen Kollegen verboten, genauso wie „lüsterne Blicke, zweideutige Witze und sexuell deutbare Kommunikation.“ Unter einer extra eingerichteten Telefonnummer sollen Angestellte Kollegen melden, die sich nicht an die Richtlinie halten.
Ver.di unterstützt vor Gericht den Wal-Mart Betriebsrat. Fachgruppenleiter Einzelhandel Ulrich Dalibor kritisiert, dass der Betriebsrat keine Gelegenheit hatte, sich Anfang des Jahres zu der geplanten Richtlinie zu äußern. Das sei ein Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz. „Wal-Mart muss endlich in Deutschland ankommen und anerkennen, dass Beschäftigte hierzulande bei der Gestaltung ihrer Beschäftigungsverhältnisse Mitspracherechte haben.“
Das „Anschwärztelefon“ und die Vorschriften, mit denen Wal-Mart Liebesbeziehungen zwischen Kollegen untersagt, wertet Dalibor als „Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“. Das Landesgericht Düsseldorf habe sie sogar als „nicht vereinbar mit dem Grundgesetz“ bewertet.
Einige Aspekte des Ethikcodes begrüßt Ver.di allerdings durchaus. So wird ausdrücklich untersagt, dass Angestellte zu unbezahlten Überstunden gezwungen werden. Auch Rassismus, Sexismus und die Benachteiligung von Behinderten werden untersagt.
Wal-Mart sieht nach eigenen Angaben in der Richtlinie ein Instrument, um zum Beispiel Angestellte vor Übergriffen ihrer Vorgesetzten zu schützen, seien es sexuelle Nötigung oder erzwungene Überstunden. Solche Richtlinien seien in den Vereinigten Staaten Standard.
Wal-Mart ist mit 5.000 Filialen in 10 Ländern die größte Warenhauskette der Welt. In Deutschland gibt es 88 Filialen.
ANNETTE LEYSSNER