Sozialmarkt im Wedding: Das Gold der Armen

Auch Mitte hat jetzt einen Sozialmarkt. Geringverdiener und Arbeitslose können hier für wenig Geld einkaufen. Ab 2009 sollen die Stände ein Mal im Monat aufgebaut werden.

Geduldig steht Hans-Werner Luck in der zweiten Reihe hinter dem rot-weißen Absperrband. Wie 20 andere hat er es auf die gebrauchten Fahrräder abgesehen. Eine Stunde ist Luck schon da, aber bis nach ganz vorne hat er es nicht geschafft. Die Ellenbogen einsetzen mag er nicht. Er lässt das Warten über sich ergehen. Wie all das andere auch. Luck ist 57, gelernter Elektroniker, seit vier Jahren arbeitslos. "Ein Fahrrad? Kann ich mir sonst nicht leisten", sagt er. Die Verkäufer machen sich bereit. Einige scharren mit den Füßen.

Am Freitag wurde im Hof der Volkshochschule Wedding der erste Sozialmarkt im Bezirk eröffnet. Wer nachweist, dass er ein Netto-Einkommen von maximal 900 Euro hat, kann am Eingang 50 Cent-Stücke in Goldtaler aus Pappe umtauschen und an denbunt geschmückten Ständen bummeln gehen. Gebrauchte Kinderkleidung, Wollpullover, Puppenstuben, Öl-Bilder, Holzspielzeug, all das ist für Preise zwischen umgerechnet 50 Cent und 25 Euro zu haben.

Organisiert wird der Sozialmarkt von Goldnetz. Mit den Mitteln des Öffentlichen geförderten Beschäftigungssektors (ÖBS) hat das Projekt Langzeitarbeitslose eingestelllt, 80 allein in Mitte. Die Männer und Frauen sammeln seit Monaten Sachspenden, richten die Gegenstände in Werkstätten her, basteln und tischlern und verkaufen die Dinge auf dem Markt. Sie bekommen 1.300 brutto, haben Jahresverträge - und viele seit langem wieder eine Perspektive.

Potentielle Kunden gibt es in Berlin genug: Jeder vierte Erwerbstätige verdient weniger als 900 Euro netto. Rund 225.000 Menschen sind arbeitslos, allein in Mitte über 30.000. Frauen mit Kopftüchern schieben Kinderwägen über den Hof. Männer mit Schnauzer rauchen eine Zigarette. Als Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) den Markt eröffnet, klatschen viele. Ihre Freude ist echt.

Goldnetz organisiert auch Märkte in Charlottenburg und Spandau. "Ab 2009 sollen in allen drei Bezirken ein Mal im Monat die Stände aufgebaut werden", sagt Leiterin Ute Jaroß. Den Weihnachtsmarkt 2009 will sie ganz groß gestalten. "Am liebsten wäre es mir, er würde am Schloss Bellevue stattfinden, mitten in der Stadt." Der Sozialsenatorin gefällt die Idee .

Luck hat heute Glück. Er erwischt ein grünes Damenrad für 10 Euro. Es hat zwar keine Gangschaltung und ist für den großen Mann ein bisschen klein. Doch er grinst zufrieden. "Hauptsache, es kullert."

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