Kommentar Integrationspolitik: Überprüfung überfällig

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration kann mit seiner Arbeit beginnen. Das Vorläufergremium hatte Ex-Minister Schily abgeschafft - es war ihm zu unbequem.

Acht deutsche Stiftungen haben in einer bislang einzigartigen, gemeinsamen Aktion einen Sachverständigenrat für Integration und Migration ins Leben gerufen. Das wissenschaftliche Expertengremium, das unabhängig von Vorgaben aus Stiftungen und Politik arbeiten soll, wird regelmäßig zum Stand von Integration und Migration Stellung nehmen - und zu der dazugehörenden Politik. Damit füllt der Sachverständigenrat eine große Lücke. Denn eine unabhängige, systematische und langfristige Bewertung der Integrationspolitik gibt es bislang nicht. Sie wird häufig ins Blaue gemacht.

Das liegt auch an der dürftigen Datenlage. In den meisten Statistiken wird lediglich zwischen Deutschen und Ausländern unterschieden. Migranten mit deutschem Pass werden unter die Deutschen subsumiert. Wie sehr das die Befunde über Einwanderer verzerrt, hat jüngst der NRW-Integrationsbericht gezeigt. Darin wurden erstmals Daten genauer ausgewertet - mit einigen überraschenden Ergebnissen. Eines davon: Der Anteil der Eingebürgerten, der die Hochschulreife erreicht, ist höher als der der Bio-Deutschen. Ohne neue Daten wird es also nicht gehen. Deshalb hilft auch der Integrationsindex nicht viel, den die Beauftragte der Bundesregierung plant - ohne neue Erhebungen. Der Sachverständigenrat aber will für sein Integrationsbarometer neue Befragungen durchführen. Auch bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Das ist ebenfalls überfällig. Für Integration sind eben nicht nur die Einwanderer zuständig.

Dass die Bundesregierung, die so gerne über Integration spricht, ein Gremium wie den Sachverständigenrat nicht selbst eingesetzt hat, muss man kritisieren. Für die Sache könnte es letztlich von Vorteil sein - denn so sind die Experten unabhängig von der Politik. Wie wichtig das ist, hat die Geschichte des Zuwanderungsrats gezeigt: Dieses Expertengremium hat der ehemalige Bundesinnenminister Schily kurzerhand abgewickelt, weil es ihm nicht in den Kram passte. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Klaus J. Bade, saß in diesem Gremium. Für das neue kann man ihm nur mehr Glück wünschen.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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